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Der germanische Volksstamm der Friesen war einst über die
ganze Nordseeküste von der Weser bis zur Schelde verbreitet; von
diesen Ursitzen aus besiedelte er auch die Inseln und Küsten des
westlichen Schleswig. Im steten Kampfe mit den Fluten, deren
er sich durch Deiche und Dämme zu erwehren suchte, verlor er
viel Boden; im Süden gegen die Stämme des Hinterlandes
schützten die weiten Moore. Nachdem Karl d. Gr. Friesland mit
dem fränkischen Reiche vereinigt, folgte der größere Teil der Frie-
sen den Geschicken der Niederlande und ist jetzt holländisch; das
an der Ems gelegene Ostfriesland dagegen bewahrte bis tief
ins Mittelalter hinein seine Selbständigkeit und kam dann zum
deutschen Reiche. Noch im 14. Jahrhundert lebten die Friesen, ein
Volk von Bauern und Fischern, nach ihren eigenen Gesetzen, ohne
Adel und Fürsten, und berieten die gemeinsamen Angelegenheiten
in Volksversammlungen am Upstalsboom bei Aurich. Innerer
Hader und die Unruhen der Seeraub treibenden Vitalienbrüder
begünstigten um 1400 die Erhebung von Häuptlingen, erblichen,
auf festen Burgen seßhaften Gerichtsherren, besonders der Cirk-
sena zu Gretsiel. Letztere wurden vom deutschen Kaiser 1454 zu
Reichsgrafen ernannt und mit Ostfriesland belehnt, 1654 zu
Reichsfürsten erhoben. Da sie indes durch Erwerbung des
Harlingerlandes an der Nordsee östlich von Ostfriesland (1604)
in Schulden und in lange Streitigkeiten mit ihren Ständen und
den Nachbarn gerieten, so mischte sich 1682 der Große Kurfürst
ein und besetzte in kaiserlichem Auftrag Emden, das er zu einem
brandenburgischen Seehandlungsplatze zu machen suchte. Als 1744
das Haus Cirksena mit Karl Edzard ausstarb, ergriff Fried-
rich d. Gr. sofort auf Grund der 1695 dem Kurfürsten Fried-
rich III. erteilten Anwartschaft von dem Fürstentum Ostfriesland
Besitz. Dasselbe blühte nun unter preußischer Verwaltung treff-
lich auf. Für Preußen war diese Erwerbung (54 O.-M. mit
970000 E.) hauptsächlich wegen der Lage des Landes an der
Nordsee von Wert. «
Zweiter Schlesischer Krieg (1744—1745).
§ 54. Unterdessen gewann Maria Theresia, ihres gefähr-
lichsten Feindes ledig und von den Ungarn, sowie von England,
kräftig unterstützt, über die Franzosen und deren Schützling Karl
von Bayern (den sie als Karl VII. zum deutschen König und
römischen Kaiser hatten krönen lassen) solche Erfolge, daß sie, jetzt
auch mit Sachsen im Bunde, dem preußischen Könige begründete