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nennung der Amtshauptleute in der Kreisordnung, nur vom
Könige ausgehen. Dem Könige gehört die richterliche Ge—
walt, und der Staat kann nicht dulden, daß lediglich durch
Wahl Richter ernannt werden.“
Berlin, zirka 30. Oktober 1871.
Unterredung mit dem Fürsten Hohenlohe-Schil-
lingsfürst, betreffend die Einbringung des soge-
nannten Kanzelparagraphen.“
Hohenlohe: „Der bayerische Ministerpräsident Graf Heg-
nenberg möchte wissen, ob eine Novelle zum Strafgesetzbuch,
welche den Regierungen Schutz gibt gegenüber den maßlosen
Agitationen des Klerus in der Form von Kanzelvorträgen,
auf eine Mehrheit im Bundesrat und im Reichstag rechnen
kann.“
Bismarck: „Ich glaube wohl, es wird der Haltung der
Ultramontanen gegenüber mehr und mehr nötig, eine ernste
Stellung zu nehmen, und das Verhältnis zwischen Staat und
Kirche schärfer abzugrenzen. Der von Bayern beabsichtigte
Antrag scheint mir ganz passend, und er wird von meiner
Seite bereitwillig unterstützt werden. An dem Tenor des
Gesetzentwurfes habe ich nur auszusetzen, daß darin Geld-
strafen angedroht werden, die sich für solche Vergehen nicht
eignen. Ueberlassen Sie mir den Entwurf, damit ich die
Motive näher prüfen kann. Der Antrag wird im Bundesrat
am besten durch ein bayerisches Mitglied eingebracht werden.
Wollen Sie dies nicht, so bliebe noch ein anderer Weg,
nämlich der, den Antrag durch einen bayerischen Reichstags-
abgeordneten in Vorschlag bringen zu lassen. Dazu würde
*) Fürst Hohenlohe-Schillingsfürft. Denkwürdigkeiten,
Bd. II, S. 72.