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Berlin, 21. März 1872.
Unterredung mit der elsäßischen Notablen-Depu-
tation, betreffend die Verfassung von Elsaß-Loth-
ringen, die Einführung der allgemeinen Wehr-
pflicht daselbst.“
Bismarck: „Mein Wunsch ist, daß sich die neuen Ein-
richtungen in Elsaß-Lothringen nach den Bedürfnissen des
Landes und seinen Gewohnheiten gestalten, und daß sich Ihre
Landsleute recht eifrig an der dortigen Verwaltung beteiligen.“
Als die allgemeine Wehrpflicht zur Sprache kam und
die Elsässer einstimmig behaupteten, es wäre nicht möglich,
dieselbe vor einigen Jahren in den Reichslanden einzuführen,
weil zu viele junge Leute schon in der Mobilgarde gedient
hätten und man ihnen nicht zumuten könne, so schnell in
eine andere Armee zu treten, bemerkte Bismarck: „Ich habe
anfangs dasselbe Gefühl gehabt, mußte es jedoch unter-
drücken, weil es das Gute war, und Sie wissen ja, daß nach
dem schlimmen, aber wahren Worte Talleyrands dieses erste
Gefühl in politischen Sachen immer beseitigt werden soll.
Das Gefühl muß der Vernunft weichen und so ging mirs,
als Moltke, v. Roon und der Kaiser selbst mich eines Bes-
seren überzeugten. Es wurde meiner ersten Ansicht mit Recht
entgegengehalten, daß es nicht möglich und den anderen
Bundesstaaten gegenüber höchst ungerecht wäre, für Elsaß-
Lothringen eine Ausnahme zu machen, ferner, daß die
.
*) Nach der vorhin erwähnten Quelle. Eine Ergänzung
findet das Referat des Grafen Dürckheim durch die in meinem
Werke „Stunden bei Bismarck“, S. 47, mitgeteilte Aufzeichnung
Bismarcks über die Audienz. Die Deputation bestand aus dem
Grafen Dürckheim, Julius Segenwald, Präsident der Handels-
kammer von Straßburg, Nessel, Bürgermeister von Hagenau, R.
Reichard, Fabriksdirektor in Erstein und Herrenschmidt, Groß-
industrieller aus Straßburg.
v. Poschinger, „Also sprach Bismarck“, Band II. 10