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halten und ist mit seinen vortrefflichen Gaben stets der
Regierung dienstbar gewesen; ich habe mit aller Absicht in
voller Uniform am hellen Tage vor allen Leuten ihm meinen
Besuch gemacht, als die böse Nachrede über ihn hereinbrach,
um ihm dadurch doch einige Genugtuung werden zu lassen.
Dagegen könnte ich Ihnen von einem Minister, der noch in
Dienst ist, viel erzählen. Wissen Sie, wann Blankenburg
kommt?“
Diest: „Herr v. Woedtke sagte mir gestern, daß er erst
in 8 bis 14 Tagen kommen könne, weil er noch durch Geschäfte
in Stettin zurückgehalten würde.“
Bismarck: „Geschäfte in Stettin!“ Wie können die sein
Ausbleiben hier entschuldigen. Blankenburg will eben nicht
kommen, und gerade er könnte es so gut! Blankenburg ist
ein Mann von mindestens 25.000 bis 30.000 Talern jährlich
Revenuen, dem es also ein Leichtes wäre, das Opfer zu
bringen, welches von Reichstagsmitgliedern verlangt wird,
aber Sie sehen eben aus seinem Wegbleiben — ich bin ver-
lassen, wie ich es im Herrenhause gesagt, verlassen von meinen
besten Freunden.“
Diest fand nunmehr Gelegenheit, die Stellung der Kon-
servativen zu den Kirchengesetzen, das Zahlenverhältnis inner-
halb der konservativen Partei ausführlich zu schildern.
Bismarck: „Ich danke Ihnen und kann nicht leugnen,
daß mir Ihre Mitteilungen von hohem erfreulichem Interesse
sind, aber ich muß es doch wiederholen, ich bin ein ver-
lassener Mann! GElauben Sie, daß Sie der Erste sind, der
seit sieben Jahren, ja, ich kann sagen, seit acht Jahren, meine
Schwelle überschreitet, um mich über die Lage der konservativen
Partei zu vergewissern? Es ist um so auffallender, daß Sie
als der Erste zu mir gekommen sind, als ich ausdrücklich den
Befehl gegeben habe, daß niemand bei mir angemeldet wird,
es müsse demn ein Minister oder ein Abgeordneter sein; mein
*) Der Besuch erfolgte am 7. Februar 1873.
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