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Bismarck gab die Richtigkeit dieser Ausführungen zu und
sagte, daß für Amerika eine demokratische Regierungsform
ebenso natürlich, wie für Deutschland eine monarchische, ja
die einzig zweckmäßige sei. „Lebte ich in Amerika, so würde
ich auch Republikaner sein.“
Villard gestattete sich die Frage, ob Bismarck mit den
Erfolgen des allgemeinen Stimmrechts zufrieden sei, dessen
unmittelbare Annahme nach der Bildung des Deutschen Reiches
als die politische Basis des nationalen Lebens für einen der
kühnsten, wenn nicht als der kühnste Zug in seiner Laufbahn
bezeichnet worden sei. Bismarck erwiderte: „Es kann gerade
nicht behauptet werden, daß die Resultate des allgemeinen
Stimmrechts sich durchaus zufriedenstellend erwiesen haben;
aber ich habe es stets als einen gerechten Begleiter und als
eine Entschädigung für die allgemeine Heerespflicht des
deutschen Volkes angesehen. Auch war die Amahme
des Gesetzes als eine Art Kitt zum Aufbau des.
Kaiserreichs, sowie als ein Mittel zur Ueberwindung der
ererbten Zentrifugaltendenzen einiger unserer kleineren Po-
tentaten und Volksstämme geradezu unentbehrlich.“ Die So-
zialdemokratie bezeichnete er als den schlimmsten Auswuchs.
des allgemeinen Stimmrechts und es sei seine feste Ueber-
zeugung, daß früher oder später der Staat dieses Uebel werde
gewaltsam beseitigen müssen.
Höchst angenehm war es Villard, daß das Gespräch auch
auf den gemeinsamen Freund Karl Schurz gelenkt wurde.
Bismarck sagte, daß nicht nur die glänzende öffentliche
Karriere desselben in Amerika, sondern auch dessen persön-
liche Eigenschaften, die er bei verschiedenen Anlässen kennen
gelernt, ihn mit Bewunderung für ihn erfüllten. Es sei sehr
zu bedauern, daß ein Mann wie er dem Auslande und nicht
seinem eigenen Lande diene. Gerade diesen Typus eines
Mannes habe Deutschland nötig an Stelle der „Geheimrat-
gattung“, welche ihm soviel zu schaffen gemacht hatte. Biomarck
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