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zerrüttete Armee, er hätte uns nicht widerstehen können. Der
Kaiser von Oesterreich war vielleicht nicht abgeneigt, auf die
Sache einzugehen; wenigstens übergab er die Angelegenheit
seinem Ministerrat zur Prüfung. Aber Kriegsminister Franck
war der Meinung, es ginge nicht an, nach den großen
Rüstungen der letzten Monate ohne einen Kanonenschuß
Frieden zu machen, man könnte sonst von dem Heere Oester-
reichs sagen, es sei pulverscheu; vielleicht ließe sich nach der
ersten Schlacht darüber sprechen. Dieses Vorurteil hatte
freilich General Gablenz nicht zu scheuen, denn er hatte im
vorhergehenden Feldzug in Schleswig-Holstein gezeigt, daß
er das Pulver nicht fürchte. Noch entschiedener lehnte Finanz-
minister Graf Larisch ab. Er meinte, die österreichischen
Finanzen machten einen Krieg unbedingt notwendig, entweder,
um im Falle eines glücklichen Ausganges von Preußen eine
große Kriegskontribution zu erlangen, oder nach einer Nieder-
lage mit Anstand die Staatsschulden liquidieren zu können.
So wurde der Vorschlag von Oesterreich abgelehnt.
Vielleicht war es besser, daß die Sache rasch durch das
Schwert entschieden wurde. Denn die Uhr des deutschen
Dualismus mußte bisher in jedem Jahrhundert einmal durch
einen Krieg richtig gestellt werden. Dieser Dualismus ist
älter, als der zwischen Oesterreich und Preußen; er prägte
sich zuerst im Gegensatz zwischen Franken und Sachsen, dann
zwischen Hohenstaufen und Welfen aus. Hierauf brach er
wieder in der Reformation auf; Moritz von Sachsen erhob
sich wider Karl V. doch vornehmlich zu dem Zwecke, um die
Herrschaft von Kaiser und Reich abzutun, das nannte man
damals die „deutsche Freiheit“". Oder glauben Sie, daß
er, als er von der „viehischen Servitut“ sprach, in welcher
Deutschland damals angeblich schmachtete, an die traurige
Lage der geknechteten Bauern Deutschlands dachte? Gewiß
nicht — er meinte damit nur den Gehorsam, den sich der Kaiser
bei den Fürsten erzwungen hatte. Aehnlich traten sich seit
den schlesischen Kriegen Oesterreich und Preußen gegenüber