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nicht, so wenig wie das andere, von mir aus veröffentlichen;
das hielt ich aus zwei Gründen bedenklich: aus persönlichen
und politischen. Später kann man ja nach und nach die
Historie ergänzen und korrigieren, aber jetzt empfiehlt sich
in diesen Beziehungen noch Vorsicht. Der Kaiser wollte seine
eigne Politik machen. Der Kaiser ist jung, arbeitsfreudig,
tatkräftig, es steckt etwas vom Alten Fritz in ihm, aber er
muß davon heutzutage einen weisen Gebrauch machen. Ich
bin ihm nicht im Wege. Er hat auch nach meinem Wissen
keine Ursache, mir gram zu sein, so wenig, wie ich es ihm
bin. Allerdings hätte meine Entlassung sich anders voll-
ziehen müssen, diese spielte sich mit Zwischenfällen ab, die
man sich hätte ersparen dürfen. Doch wie gesagt, der Zunder
ist erloschen, meine Friedenspfeife raucht, ohne daß die Feinde
die Ringe steigen sehen. Ich bin dem Kaiser, wie gesagt,
nicht gram. Und der Kaiser ist es vielleicht auch mir nicht.
Ich habe dafür Anhaltspunkte. ““
Memminger: „In Wahrheit täte ich nichts lieber, als
die unverantwortlichen Ratgeber des Kaisers nach amerika-
nischer Art federn. So ein bischen Haberfeldtreiben wäre
manchmal nicht übel. Aber auch wir Bayern müssen immer
mit einem frommen Seitenblick nach Ihrem Staatsanwalt
in Berlin schielen. Indessen würde mich auch dies nicht ab-
halten, den Herren die notwendige Wahrheit zu sagen, aber
ich meine, daß es gar nicht der Mühe wert ist, sich einsperren
zu lassen, um den schönen Augen gewisser Herren und ihrer
Damen, der eine Weide zu bereiten.“
Biomarck: „Ja, der Meinung bin ich auch, doch im oll-
gemeinen dürfen Sie das schon schreiben, ohne aber den Kaiser
direkt anzutasten; Sie müssen immer beim Schreiben denken,
daß er schließlich doch durch irgend einen Kanal die geraden,
ehrlichen Meinungsäußerungen unabhängiger und schneidiger
Zeitungen zugeleitet bekommt und daß er auch, trotz der am
Hofe krassierenden Verseuchung durch Schmeichler und Heuchler,
schließlich infolge schlimmer Erfahrungen und gelegentlicher