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Beobachtungen zur Erkenntnis der Uebelstände gelangt. Dies
dürfen Sie aber dem Kaiser nicht erschweren, indem Sie
ihn tief beleidigen. Sagen Sie die Wahrheit, der Kaiser
wird sie von der Presse wohl eher ertragen als er sie von
mir ertragen konnte. Der Redakteur, der den nötigen Wahr-
heitsmut besitzt, hat eben nicht die vielen und mächtigen un-
mittelbaren Feinde, wie ich sie mir gutschreiben durfte: das
hochgeborene Hofgesinde, die geheimrätliche Bürokratie, mäch-
tige Parteien wie das Zentrum und Judentum oder der Frei-
sinn. Die Herren am Hofe haben mich niemals als Voll-
blutjunker anerkannt, ich bin in den Augen dieser — — —
und der übrigen „Falken“ immer der Sohn einer „Bürger-
lichen“ und ein „Revolutionär“ gewesen; denn konservativ
sein heißt bei diesen Herrschaften nichts lernen und nichts
vergessen, nichts ändern und wandeln.
Auch mit dem Zentrum oder vielmehr mit Windthorst
habe ich, noch zu guterletzt, eine eigentümliche Erfahrung
gemacht. Mit Windthorst war sonst nicht eben schlecht zu
verhandeln; man wußte, wie man mit ihm daran war, er
versprach, was er halten konnte, und was er versprach, das
hielt er auch; Windthorst war eben ein Staatsmann, der nicht
mit den romantischen Imponderabilien in Wolkenkuckucksheim
rechnete, er war durch und durch Realpolitiker und versah
sich von seiner mutmaßlichen Nachkommenschaft in der Partei-
führung nichts Gutes, denn er wollte mich halten und ver-
handelte darüber mit mir, ohne daß ich ihm jedoch irgend
welche Zusagen machte; einen „Kuhhandel“ gab es hier nicht.
Windthorst war von mir fortgegangen und scheint mit seinen
Vertrauten Kriegsrat gehalten zu haben. So sickerte meine
Unterredung bis zum Kaiser durch und die „Germania“
vidimierte mir das Wanderbuch. Der Kaiser aber stellte
mich zur Rede, wie ich mich unterstehen könnte, ohne ihn
vorher in Kenntnis zu setzen oder seine Erlaubnis einzuholen,
mit einem Parteiführer wie Windthorst so gleichsam hinter
den Büschen zu verhandeln. Ich setzte dem Kaiser ausein-