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mit der Frage unterbrach, ob Kleser nicht, um das trockene
Gespräch erträglicher zu finden, ein Glas leichten Wein an—
nehmen wolle. Kleser dankte mit der Beteuerung, daß er
um diese Zeit außer Möglichkeit sei, einen Tropfen Wein
zu trinken. Daß Bismarck das dem Rheinländer, den er
bei Tisch dem herrlichen Tropfen nicht ohne einiges Verständ-
nis hatte zusprechen sehen, nicht völlig glaubte, war natür-
lich. Er sah Kleser eine Weile an und diesem schien, als
ob die lustig lächelnden blauen Augen ergründen wollten,
ob er aus einfältiger Bescheidenheit beide um die gute
Flasche bringe, oder ob am Ende Chrysander wenn nicht
gar die Fürstin, ihn ins Gebet genommen. „Na, also
nicht!“ meinte Bismarck, als wollte er sagen, daß man in
Klesers Jahren ein solcher Dummkopf eigentlich nicht mehr
sein sollte. Letzterer suchte die Situation und das innerlich
recht schmerzliche Verzichten durch seine Anerkennung des vor-
züglichen Landsmannes, den er bei Tisch angetroffen,
eines herrlichen Oberemmelers zu verzuckern. „Es ist in
der Tat ein solcher und gar ein Schwarzhofberger“, äußerte
der Fürst und erzählte, wie er, bis dahin ein einseitiger
Freund des „naturgemäßen Getränks des Norddeutschen“,
des französischen Rotweins, die Bekanntschaft der leichten oder
besser gesagt, der lieblichen Mosel= und Saarweine gemacht
habe. „Es war im Frühjahr 1871. Ich mußte von Ver-
sailles nach Berlin zum konstitutionierenden Reichstag. Die
letzten Tage vor der Abreise hatten mich derartig in An-
spruch genommen, daß infolge dieser letzten Strapazen ich
endlich vollständig zusammenklappte. In Versailles hatte
man mir meinen Eisenbahnwagen mit Akten aller Art
vollgeladen; aber an etwas Essen und eine vernünftige
Flasche Wein hatte niemand gedacht. Mir war, wie der
Zug gegen Saarbrücken kam, als müsse ich förmlich ver-
schmachten und könne lebendig nicht nach Berlin kommen.
Der erbarmungslos knapp bemessene Aufenthalt an den
größeren Stationen wurde durch Deputationen der Stadt-
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