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sich plötzlich unter Vorgesetzten sehen, deren absolute Unkennt-
nis ihres Faches ihnen nicht unbekannt sein kann. Die Folge
des Systems ist ein kolossaler Dilettantismus, der natürlich
überall Unklarheiten und Schwankungen hervorbringen muß.
Er drückt sich ängstlich nach jeder Meinungsäußerung herum
und tritt so in totale Abhänaigkeit von der öffentlichen Mei-
nung; man trifft Maßregeln und schafft Gesetze, nicht weil
sie notwendig sind, sondern damit man Zeitungslob erntet.
Daher kommt auch die Fingerfertigkeit, mit der Vorlagen
eingebracht, umgeändert, in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Auch kommt jetzt ein großer Mangel an Verantwortlichkeits-
gefühl hinzu, und dieses Manko muß noch verstärkt wer-
den durch das häufige persönliche Hervortreten des Kaisers
zu Kundgebungen, die für die Minister selbst den Reiz der
Ueberraschung tragen. Die Zustimmung des Freisinns zu
allen persönlichen Kundgebungen des Kaisers gilt weniger
dem Inhalt dieser Kundgebungen, als dem persönlichen Mo-
mente; man hofft dort, daß sich, wenn auch zunächst nicht
formell, so doch sachlich ein verantwortliches Kaisertum kon-
stituiert und sieht bereits den antimonarchischen Weizen hoch
in die Höhe schießen.“
Berechtigter Nepotismus.-)
(Anspielung auf die Heranziehung des Grafen Herbert
in seine persönliche Umgebung.) „War es denn nicht natür-
lich, daß ich mich in der Ausübung meines schweren und ver-
antwortungsvollen Amtes in erster Linie an meine nächsten
Angehörigen hielt, wenn ich den Beistand von Vertrauens-
personen nötig hatte?“
Graf Herbert kein Parteiführer.
Bismarck wies den Gedanken zurück, daß sein ältester
Sohn die Führung einer neuen großen Partei übernehme.
„Das würde ich nie dulden, daß er Parteiführer würde, denn
dazu ist mein Sohn nicht Intrigant genug.“
*) A. a. O., S. 278.