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eine von Ihren Ansichten verschiedene sozialpolitische Richtung
eingeschlagen hat, haben Sie wohl Ihre Hand davon zurück-
gezogen. Die „Grenzboten“ betrachteten die Sozialdemokratie
als ein notwendiges Erzeugnis des Kapitalismus und hielten
die Emanzipationsbestrebungen des vierten Standes grund-
sätzlich für ebenso berechtigt wie seinerzeit die des dritten.“
Bismarck: „Was ist sozialistisch? Wenn der Unternehmer-
gewinn unter ein gewisses Niveau herabsinkt, dann zieht der
Unternehmer sein Kapital eben zurück, schließt seine Fabrik
und schneidet Coupons. Die Sozialdemokratie will den Um-
sturz, ihre Führer fahren nun einmal auf diesem Bahnstrange
und streben nach der Herrschaft. Wenn sie die haben, werden
sie alles umwerfen. Wer also einen geordneten Staat will,
der muß die Sozialdemokratie bekämpfen. Als Deichhaupt-
mann mußte ich nach dem Satze verfahren: Wer nicht will
mitdeichen, muß weichen. In Rom war agquae et igni
interdictus, wer sich außerhalb der Rechtsordnung stellte,
im Mittelalter nannte man das ächten. Man müßte die
Sozialdemokratie ähnlich behandeln, ihr die politischen Rechte,
das Wahlrecht nehmen. Soweit würde ich gegangen sein.
Die sozialdemokratische Frage ist eine militärische.
Man behandelt jetzt die Sozialdemokratie außerordent-
lich leichtsinnig. Die Sozialdemokratie strebt jetzt — und
mit Erfolg — danach, die Unteroffiziere zu gewinnen; die
Führer machen es jedem Sozialdemokraten zur Pflicht zu
bleiben, wenn er Unteroffizier werden kann. In Hamburg
— ich kenne die dortigen Verhältnisse ganz genau — besteht
jetzt schon ein guter Teil der Truppen aus Sozialdemokraten,
denn die Leute dort haben das Recht, nur in die dortigen
Bataillone einzutreten. Wie nun, wenn sich diese Truppen
einmal weigern, auf ihre Väter und Brüder zu schießen, wie
der Kaiser verlangt hat? Sollen wir dann die hannover-
schen und mecklenburgischen Regimenter gegen Hamburg auf-
bieten? Dann haben wir dort etwas wie die Kommune
in Paris.
v. Poschinger. „Also sprach Bismarck“, Band III. 12