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Ich ließ also den Herren sagen: wenn ihnen Gortschakow
wieder so unzüchtige Zumutungen mache, so sollten sie ihn
einfach an den russischen Botschafter in Berlin verweisen.
Durch diesen allein habe mir Gortschakow Fragen vorzulegen.
Außerdem aber sollte Radowitz dem Zaren die Freude des
Königs und mein Empressement ausdrücken, den Kaiser
Alexander im Mai in Berlin begrüßen zu dürfen. Auch
für den Fürsten Gortschakow führte Radowitz eine größere
Sauce diplomatischer Schmeichelei bei sich.
Gortschakow war damals noch nicht mein persönlicher
Feind, wie nach dem Berliner Kongresse, sondern nur mein
boshafter Neider, weil ich ihm etwas über den Kopf ge-
wachsen war. Denn ich hatte ihn — seit unserem dreijährigen
Zusammen= oder Nebeneinanderwirken im diplomatischen
Rollenfach in Petersburg während der Zeit meiner Peters-
burger Gesandtschaft — daran gewöhnt, von mir als mein
Meister in der diplomatischen Kunst verehrt zu werden. Ich
habe auch nie versäumt, ihm zu versichern, daß ich alle
guten Eigenschaften, die ich etwa besäße, allein ihm zu ver-
danken hätte. Aber mit diesen Tugenden ausgerüstet, wurde
ich ihm auf die Dauer doch ziemlich unbequem, und schon
damals suchte er mich bei seinem Kaiser als Friedensstörer
zu verdächtigen und sich selbst, wenn irgend möglich, als
Friedensstifter hinzustellen und preisen zu lassen. Es war
für ihn nicht schwer, diese Absichten auch in Berlin, mit den
entsprechenden Verdächtigungen meiner Friedensliebe, an den
richtigen Mann") zu bringen — bei seinem Kaiser fiel es
ihm weit schwerer, denn der hatte bis an sein tragisches Ende
ein unbegrenztes Zutrauen zu mir.
*) Bismarck meinte offenbar und wollte sagen: „an die
richtige Frau“, die Kaiserin Augusta, durch den französischen Bot-
schafter Gontaut-Biron (vergleiche „Gedanken und Erinnerungen“,
Bd. II, S. 172 f.). Deshalb machte er auch nach diesen Worren
eine kurze Pause, um Blum den eigentlichen Sinn derselben erraten
zu lassen.
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