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Der französische Botschafter in Berlin, von Gontaut-Biron,
war sehr bereit, mich und Gortschakow die von diesem ge-
wünschte Rolle spielen zu lassen. Denn Gontaut-Biron hatte
gute Beziehungen zu den mir wenig geneigten Kreisen der
Kaiserin Augusta und des Zentrums. Er war außerdem guter
französischer Legitimist und als solcher hatte er ein lebhaftes
Interesse, dem legitimen monarchischen Rußland gefällig zu
sein und bei seinen Landsleuten den Schein zu erwecken, nur
ein Legitimist habe die bisherige abgeneigte Zurückhaltung
des Zaren gegen das republikanische Frankreich überwinden
und Rußland zum Vermittler des von den Franzosen damals
so hochgeschätzten Friedens machen können. Gontaut-Biron
reiste also im tunlichsten Inkognito nach Petersburg, um
Gortschakowm zu einer mise en scène für den Frieden Ge-
legenheit zu geben, die dann auch recht fadenscheinig aufge-
führt wurde.
Ich beschwerte mich bei meiner ersten Zusammenkunft
mit dem Zaren — die am 10. Mai stattfand — über die
Unredlichkeit von Gortschakow, der genau wisse, daß ich
gar nicht an Krieg denke, und sich trotzdem so aufspiele,
als danke Europa ihm allein die Aufrechterhaltung des
Friedens. Mais vous savez bien, qu’il est fou de vanité,
antwortete mir der Zar.
Nach dieser Unterredung erließ dann Gortschakow ein
Rundschreiben an sämtliche diplomatische Vertreter Rußlands,
in dem es hieß: Maintenant la paix est assurée — jetzt ist
der Friede gesichert — man hat sich von der Notwendigkeit
seiner Aufrechterhaltung überzeugen lassen — mit dem man
war natürlich ich gemeint.
Selbstverständlich wird in der „Deutschen Revue“ auch der
bekannte Krieg-in-Sicht-Artikel in der „Post“ meiner Anregung
zugeschrieben und behauptet, dessen mutmaßlicher Verfasser,
Dr. Konstantin Rößler, sei damals Chef des Preßbureaus
gewesen, während derselbe damals ganz einfacher Preß-Kon-
dottiere war, und ich den Artikel sofort entschieden des-
avouieren ließ.