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Bismarck legte Blum dann dar, in wie rücksichtsvollen
Formen für den Nätchstbeteiligten solche Dinge früher — zu
seiner Amtszeit — behandelt worden seien, und gab darauf
der Schlözer widerfahrenen Behandlung das zutreffende Eigen-
schaftswort.
Blum: „Lothar Bucher"') geht Eurer Durchlaucht ge-
wiß jetzt recht ab?“
Bismarck: „Ja, ich habe viel an ihm verloren! Bucher
war eine stille, bescheidene, tiefe Natur, mein treuer Freund,
manchmal mein Zensor, mein Mitarbeiter an allem, was
Herzblut, gesunden Menschenverstand, klares, scharfes Denken
erforderte. Viel zu gut war er für gewöhnliche Depeschen-
arbeit. Dafür hatten wir die diplomatische Häckselmaschine
Abeken. Der war im stande, in ein paar Viertelstunden
über alles zu schreiben, was man von ihm verlangte. Sagte
man ihm dann: Schön, Herr Geheimer Rat, — aber in
der Hauptsache haben Sie mich mißverstanden, ich habe gerade
das Gegenteil sagen wollen — so entschuldigte er sich und
brachte unverdrossen nach einer Viertelstunde die Depesche
wieder, die nun mit derselben Wucht der Ueberzeugung das
Gegenteil verfocht.
) GEestorben am 12. Oktober 1892 in Glion. Erfunden
sind die in der kölnischen Wochenschrift „Das neue Jahrhundert“
im November 1898 veröffentlichten Gespräche Bismarcks mit Bucher
über die Presse, die Bekämpfung des Anarchismus, Oesterreich,
die sozialpolitische Resorm. Es zeigte sich, daß die Kölner Wochen-
schrift das Opfer einer Täuschung war; dasselbe trifft zu bezüglich
des vom Rengerschen Verlag angekündigten, aber gar bald zurück-
gezogenen Bismarck-Lexikons. Der Verfasser war ein gewisser
A. v. Schlieben. Vergleiche über den Schwindel die „Berliner
Neuesten Nachrichten“ Nr. 198 vom 28. April 1909, „Bres-
lauer General-Anzeiger“ Nr. 115 vom 27. April 1899, „Ber-
liner Tageblatt“" Nr. 208 vom 25. April 1899, „Kölnische Zei-
tung“ Nr. 260 vom 5. April 1899, „Münchner Neueste Nachrichten“
Nr. 163 vom 8. April 1899, „Hamburger Nachrichten“ Nr. 6
vom 7. Januar 1899.