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erklärte die Magenfrage für die wichtigste von allen.
„Erst wenn der Mensch satt ist, kann er sich mit der
eigentlichen Parteipolitik befassen.“ Die heutigen Par-
teien, die Bismarck geneigt war, gewissermaßen juri-
stische Parteien zu nennen, gruppierten sich mehr um
einzelne Persönlichkeiten, die nur zu oft ihre eigenen Zwecke
verfolgten, als um wirkliche Gegensätze. „Vielfach hängt
die Parteinahme im politischen Leben geradezu davon ab,
neben wem jemand auf der Schulbank gesessen hat. Mit
seinem Schulnachbar geht dann wohl nachher der eine zu
Bennigsen und den Nationalliberalen, der andere zu Man-
teuffel und den Konservativen. Bei aller energischen Partei-
nahme in der Politik wissen doch häufig die Anhänger der ein-
zelnen Parteien die eigentlich trennenden Punkte nicht an-
zugeben. Mir kommt das so vor, wie bei Leuten, die jeden
Sonntag in die Kirche gehen, und wenn man sie nachher
fragt, welche Unterschiede das reformierte Dogma von dem
lutherischen, resp. von dem griechischen, ja sogar von dem
katholischen trennen, so wissen sie es meistens nicht bestimmt
zu sagen; aber darum wird tapfer weiter gehaßt.“
Im weiteren Verlaufe des Gespräches kam die Rede auf
die neuerdings so stark auftretende allgemeine Unzufrieden-
heit, die sich im 19. hannoverschen Wahlkreise, wie Rickmers
ausführte, vielfach in welfisches Gewand kleide, ohne daß die
Leute wirklich überzeugte Welfen wären.
Bismarck äußerte, es würde zu bureaukratisch regiert,
und bezog dies u. a. namentlich auch auf die neue Land-
gemeindeordnung. „Wir haben zu viel Schreiberei und Um-
ständlichkeiten, womit die Leute nicht zurecht kommen könmen,
und das soll dann Selbstverwaltung sein! Ich lese die Ver-
ordnungen der Landräte und muß sie oft zweimal lesen,
um ihren Sinn zu verstehen. Was soll da erst ein Bauern-
vogt mit solchen Verordnungen anfangen. Aehnlich steht es
auch mit der Ausarbeitung der Gesetzesvorlagen, wobei e?