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gesprochen. Das persönliche Vertrauen des Zaren zu mir
schien mir doch von Wichtigkeit. Wenn Eraf Caprivi seine
ministerielle Verantwortlichkeit zu Rate gezogen hätte, viel-
leicht hätte er dann auch den Vertrag erneuert. Aber dieser
Verantwortlichkeit war er sich nicht genügend bewußt, als sich die
starken persönlichen Einflüsse geltend machten, die gegen die
Verlängerung des Vertrages in Bewegung gesetzt wurden.
Düas muß man im Auge behalten, wenn man fragt: wer
hat 1890 den Inhalt des Vertrages an England mitgeteilt?“
Das Gespräch kam sodann auf die Frage, ob der deutsch-
russische Vertrag in Wien und in Rom bekannt gewesen sei.
Während an Berliner amtlicher Stelle betont wurde, daß
dies nicht der Fall gewesen sei, erklärte Bismarck, es sei dies
geschehen, „aber man braucht dazu nicht notwendig den amt-
lichen Weg, bei dem es ja immer ziemlich viel Mitwisser gibt,
es gibt ja auch andere Wege.“
Schließlich kam derselbe auch auf das Lombard-Verbot
gegen russische Werte zu sprechen. „Ich bin heute noch stolz
auf diese Maßregel. Wer garantierte mir denn, daß ich
bis zum Ablaufe des Vertrages noch lebte? Ich habe
meinem Nachfolger einen festen Boden schaffen müssen. Wenn
die panslavistischen Kriegsschreier einmal siegen sollten, dann
durfte Rußland nicht mit unserm eigenen Gelde gegen uns zu
Felde ziehen. Und so sorgte ich auch für die Zukunft, auch
mit der Militärvorlage von 1888.“)
Friedrichsruh, Ende Dezember 1896.
Kußerung nach einem Gewährsmann der „Dresd-
ner Nachrichten“, betreffend die Arbeiterfrage.“
Bismarck: „Man sollte sich der Erkenntnis nicht ver-
schließen, daß eine Lösung der Arbeiterfrage in dem Sinne,
*) Gespräche Bismarcks nach der „Neuen Freien Presse“
vom 15. November 1896 in meinem Werke: „Fürst Bismarck.
Neue Tischgespräche und Interviews“, Bd. II, S. 424.
"*#) „Dresdener Nachrichten“ Nr. 360 vom 31. Dezember 1896.