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Deutschlands für päpstliche Interessen gegenüber dem König-
reich Italien nachzusuchen, was deutscherseits abgelehnt wurde,
nachdem dem Verlangen, durch den französischen Klerus auf
die französische Regierung einen Druck im Sinne des baldigen
Friedensschlusses auszuüben, nicht entsprochen worden war.
Die deutsche Politik ist im Jahre 1870/71 in erster Linie=
auf die Einigung Deutschlands gerichtet gewesen, die Italiens
ist selbstverständlich für uns im Hintergrunde gestanden, und
dies um so mehr, als seine Haltung und jene des Königs
Viktor Emanuel bei Beginn des Krieges keineswegs eine solche
war, um Deutschland zu besonderen Anstrengungen für Italien
zu veranlassen. Ich wüßte nicht, was geschehen wäre, wenn
wir die ersten Schlachten verloren hätten; wahrscheinlich wäre
Viktor Emanuel Napoleons Bundesgenosse geworden. Dieser
für Italien ungünstige Eindruck ist noch verschärft worden da-
durch, daß Garibaldi an der Spitze der italienischen, extrem
nationalen Bestrebungen im Dienste der Abhängigkeit Italiens
von Frankreich uns wie ein toller Hund angefallen hat. Die
Erbitterung gegen Garibaldi ist nicht durch die Sympathieen
für den König Viktor Emanuel gemildert worden und hat
auf Italien überhaupt abgefärbt, sowohl im diplomatischen
wie im militärischen Hauptquartier von Versailles. Man hat
auch mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß, wenn es in
Folge der Verzögerung des festen Angriffes gegen Paris
und der Einnahme der französischen Hauptstadt zu einer Ein-
mischung der neufralen Mächte gekommen wäre, Italien
sich an dieser Einmischung zu Gunsten Frankreichs beteiligt
haben würde.“ Bismarck äußerte sich über die diplomatischen
Krisen von 1870 in einer Weise, aus der hervorging, daß
es der denkbar größte Fehler der deutschen Diplomatie
damals gewesen wäre, wenn sie mit Rücksicht auf Italien
irgend ein Mittel zum schnelleren Abschlusse des Friedens
nicht angewendet hätte. Nach den Aeußerungen Bismarcks
ist es glaubhaft, daß, wenn der Papst damals die Macht