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unsere Politik ausgeben wollten, da kennzeichnete Bismarck
dieses Gebahren mit dem ironischen Schlagworte: „Man
so dhun.“
Bismarcks Lebensüberdruß und Nerven.
„Die Leute wünschen mir noch immer ein langes Leben.
Schön und sehr freundlich; wenn sie mir meine Schmerzen
abnehmen wollten, wäre ich mit ihrem Wunsche allen-
falls einverstanden — aber sol! Ich bin ein recht
umützes Mitglied der menschlichen Gesellschaft geworden.
Auch meine Freuden sind, seitdem ich nicht mehr ins Freie
komme, recht bescheidener Natur: ein gutes Glas Wein, der
mir aber jetzt allzu oft verboten wird, ab und zu eine Prise
Soll man da weiterzuleben wünschen? Meine gute Frau,
der ich nicht den Schmerz bereiten wollte, ihr wegzusterben,
ist nicht mehr bei mir; und ich bin vollständig abgefunden
und sehne mich nur noch nach Euthanasie. Heutzutage gilt
es nicht mehr als anständig und sittlich, einem verbrauchten
Leben selbst ein Ende zu machen. In der klassischen Zeit
war es anders; wir haben ja alle den Cornelius Nepos
gelesen. Jetzt sind wir sentimentaler geworden. Die Motive
würden verkannt, die abenteuerlichsten Gerüchte in Umlauf
gesetzt werden... Aber, daß ich nicht mehr mittun möchte,
kann mir keiner verdenken. Das politische Geschäft habe ich
aufgeben müssen, der Anblick der Entwickelung macht mir
keine Freude, und die Landwirtschaft habe ich zu lange im
Nebenamt betrieben, als daß sie mich jetzt ganz ausfüllen
könnte, selbst wenn ich noch hinaus dürfte. Die Leute wissen
eben nicht, was es heißt, sich so absterben zu fühlen —
und noch dazu unter Schmerzen, deren Nuancen zahllos sino.
Meine Nerven sind so empfindlich geworden, daß ich
beinahe Falb spielen könnte. Ich spüre den Wechsel vorher.
*) Einer Veröffentlichung Maximilian Hardens in der
„Woche“ April 1899 entnommen.