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der englischen Interessen, der Kandidatur des Prinzen Georg
zu widersetzen. Uns kann es völlig gleich sein, wer auf
Kreta regiert; nicht einerlei kann es uns aber sein, wenn
wir zu Gunsten der englischen Auffassungen Partei ergreifen
und damit unsere auswärtige Politik mit einer Verstimmung
Rußlands belasten, zu der uns weder ein deutsches Interesse
noch eine deutsche Macht und Würdefrage nötigt.“
Friedrichsruh, Mitte Februar 1898.
Außerung nach dem Gewährsmann der „Leipziger
Neuesten Nachrichten“, betreffend die Bosporus-
Frage.“
Zu den Fragen, denen Bismarck um diese Zeit seine Auf-
merksamkeit zuwendete, gehörte die neuerdings in den Vorder-
grund getretene Frage der Durchfahrt von Kriegsschiffen
durch die Meerenge des Bosporus. Bismarck war der An-
sicht, es gehöre die ganze Unerfahrenheit mancher Blätter
in der europäischen Politik dazu, um zu versichern, Rußlands
Bestreben sei darauf gerichtet, die Meerengen dem freien
Verkehr für die Kriegsschiffe aller Nationen zu öffnen. Die
Möglichkeit, im Frieden jeder Zeit mit ihren Kriegsschiffen
durch den Bosporus fahren zu könmen, sei für die Russen viel
weniger wichtig, als die Möglichkeit, die Meerengen allen
fremden Schiffen zu verschließen und das Schwarze Meer
zu einem russischen mare clausum zu machen. Die russische
Flotte im Schwarzen Meer könne leicht die Stärke haben,
daß sie jeder türkischen dort überlegen sei, aber nicht eine
Stärke, mit der sie den westmächtlichen Flotten im. Mittel-
meer gefährlich sein würde. Außerdem könne die Durch-
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Neuesten Nachrichten“ vom 28. Januar 1898. Penzler a. a. O.,
Bd. VII, S. 435 und 437.
*") „Leipziger Neueste Nachrichten"“" Nr. 51 vom 21. Fe-
bruar 1908.