— 362 —
las die neuen, mit der letzten Post eingegangenen Zeitungen
und blieb nun munter. Die Anwandlungen der Müdig-
keit waren offenbar vorüber. Mittlerweile war es 11 Uhr
und bald darauf Zeit zum Bettgehen geworden.
Friedrichsruh, 20. bis 27. Juli.
Das Befinden Bismarcks gab in allen diesen Tagen bis
Mittwoch den 27. Juli keinerlei Anlaß zu ernsteren Bedenken,
die Nachtruhe war meist leidlich, die Nahrungsaufnahme
normal, der Geist rege und voll Teilnahme für die Dinge
der Außenwelt. Auch der Humor blieb ihm. Einmal waren
die Grafen Rantzau, Vater und Sohn, an das Bett des
Fürsten getreten, um sich vor einem längeren Spaziergang
von ihm zu verabschieden. In der Unterhaltung geschah
es, daß beide die Hände in die Hosentaschen versenkten, eine
Haltung, die dem feinen Empfinden des Fürsten immer wider-
strebte. Alsbald erklang es von seinen Lippen: „Ich sehe
zwei Glieder meiner Familie an meinem Bette, die mir ihre
besondere Teilnahme an meinem Leiden dadurch bezeugen,
daß sie die Hände in die Hosentaschen stecken.“ — Den Turnern,
die ihn so gerne begrüßt hätten, ließ er scherzhaft sagen:
Sehen könne er sie nicht, aber da es Turner seien, lasse er
sie wissen, daß er schon seit acht Tagen „Kopf stehe“. Das
Körpergewicht, in Abnahme begriffen, betrug 187 Pfund.
Friedrichsruh, 27. Juli 1898.
An diesem Tage (Mittwoch) traten unerwartet plötzlich
starke Atembeschwerden ein, die Chrysander. bestimmten, tele-
graphisch Professor Schweninger herbeizurufen. Dieser er-
schien auch sobald als möglich von Berlin und beseitigte
durch energisches und geschicktes Eingreifen sofort die Ur-