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Die zahlreichen Telegramme und brieflichen Anfragen, die
in diesen Tagen in Friedrichsruh einliefen, bewiesen, wie
lebendig der Anteil war, den die Deutschen des In= und Aus-
landes an dem Befinden Bismarcks nahmen.
Wie Biemarck selbst über seinen Zustand urteilte, und
wie weit entfernt er von ängstlichem Pessimismus war, er-
weist die Tatsache, daß er noch am Anfang der Woche, unge-
achtet seiner Schmerzen, eine Anzahl Pfeifen bestellt hatte,
deren erste er, sobald es ihm nur ein wenig besser ging, in
Gebrauch nahm.
Friedrichsruh, 29. Juli 1898.
Freitag vormittag lautete die Auslunft Chrysanders ziem-
lich befriedigend; Bismarck sei zwar erst gegen Morgen einge-
schlafen, schlafe aber jetzt schon seit Stunden ohne Unter-
brechung. Er blieb an diesem Tage in seinen Privat--
zimmern, da die lebhafte Unterhaltung am vergangenen
Abend sich in mehrstündiger Schlaflosigkeit gerächt hatte;
aber er nahm den Besuch seiner Kinder entgegen, aß, trank
und rauchte, las auch Zeitungen und Briefe.
Friedrichsruh, 30. Juli 1898.
Auch Samstag lautete Chrysanders Auskunft nicht ge-
rade ungünstig. Die Nacht war leidlich verlaufen, Bismarck
hatte mit Appetit gefrühstückt, die eingegangenen Morgen-
zeitungen bereits gelesen und lebhaft über Politik, nament-
lich über unsere Beziehungen zu Rußland, gesprochen. Als
man ihm zur Löschung des Durstes Wasser mit Kognak
reichte, hatte er sich scherzhaft über den geringen Zusatz
geistigen Getränkes beklagt und um einen „lütten Schuß Rum“
mehr gebeten, was ihm freilich ärztlicherseits nicht zuge-
standen werden durfte. Niemand konnte noch am Mittag
ahnen, daß er nur noch wenige Stunden zu leben hatte.