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zurecht, um Zeuge des Todes zu sein: 10 Uhr 57 Minuten
tat Fürst Bismarck den letzten Atemzug. Das letzte Wort,
das er bei Bewußtsein sprach, galt seiner Tochter, der Gräfin
Rantzau, die ihm den Schweiß (von der Stirn getrocknet hatte:
„Danke, mein Kind!“)
Bismarck ist so gestorben, wie er sichs gewünscht hat.
schnell, ohne langen Todeskampf und zu Hause in seinem
eigenen Bette. Oft genug kam er in Gesprächen,
namentlich wenn Reisepläne erwogen wurden, darauf
zurück, wie zuwider ihm der Hedanke sei, unterwegs
zu erkranken und, was doch bei seinem hohen Alter immerhin
möglich sei, in einem fremden Bette sterben zu müssen. Das
ist ihm erspart geblieben. Er ist umgeben von den Eichen
seines Sachsenwaldes, und im vollsten Vertrauen auf seinen
Gott gestorben. Der Auzgdruck seines Antlitzes im Tode
war so verklärt und friedlich, wie er selten bei Gewaltigen
dieser Welt, wenn sie ins Jenseits geschieden, vorkommen
wird.
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10 Uhr kam er dort an und ließ die Pulver (die Tropfen waren
von Reinbek aus schon gesandt) durch einen Diener Dr. Chry-
sander überreichen, mit dem Bemerken, daß er warten würde,
falls noch etwas nötig sei. Gegen halb 11 Uhr etwa betrat
Dr. Chrysander das Zimmer, in dem außer Jacobson noch ein
Herr von den „Hamburger Nachrichten“ verweilte, und sagte,
demselben die Hand reichend: „Der Fürst ist soeben eingeschlafen!“
Ein welthistorischer Augenblick.
*) Nach einer Mitteilung des Professors Oncken („Dresdner
Neueste Nachrichten Nr. 284 vom 16. Oktober 1900) hätten
die letzten Worte Bismarcks gelautet: „Herr, ich glaube, hilf
meinem Unglauben und nimm mich auf in dein himmlisches
Reich"“. Der „Berliner Lokal-Anzeiger“ Nr. 412 vom 3. Sep-
tember 1898 will von einem Gebet Bismarcks in seinen letzten
Tagen wissen, worin er den Allmächtigen anflehte, ihm ein sanftes
Ende zu bescheren und das geliebte deutsche Vaterland einig und
stark zu erhalten. Das klingt ja ganz melodramatisch, widerspricht
aber den Tatsachen.