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dürfen, als durch die allerdringendste Notwendigkeit erheischt
wird. Vor allem aber glaube ich nicht, daß man durch ein
Paktieren mit der Begehrlichkeit der Arbeiter zur Sicherung
des sozialen Friedens gelangen kann. Die Ansicht Eurer Maje-
stät, daß die Erlässe einen außerordentlich günstigen Ein-
fluß auf die bevorstehenden Wahlen ausüben würden, und
daß die Zahl der für die Sozialdemokraten abgegebenen Stim-
men einen starken Rückgang erfahren werde, vermag ich
gleichfalls nicht zu teilen.“
Bismarck drang mit seiner Ansicht nicht durch.“)
Berlin, 24. Jaunuar 1890.
Unterredung mit dem Reichstagsabgeordneten
von Helldorf-Bedra, betreffend das Sozialisten-
gesetz.“
Bei Besprechung der geschäftlichen Behandlung des So-
zialistengesetzes im Reichstag gab Bismarck dem Abgeordneten
*) Die Arbeiter-Erlässe wurden vom Kaiser am 4. Februar
sanktioniert, und ohne Gegenzeichnung Bismarcks publiziert.
(„Reichsanzeiger“ vom 5. Februar 1890.)
"**) Nach der Erklärung des Fürsten Herbert Bismarck in
der Sitzung des Reichstages vom 20. Januar 1900. In einer
Aufzeichnung Bismarcks über die Situation am 24. Januar 1890
heißt es: „Ein definitiver Beschluß des Reichstages lag noch
nicht vor; nur der Bericht über die Verhandlungen der Kom-
mission, nach welchen die unveränderte Annahme des Gesetzes
nicht zu erwarten war. Wie ich seit Jahrzehnten gegen die
Neigung von Kommissarien und Ministern, die Regierungsvor-
lagen im Laufe von Kommissionsverhandlungen und unter
Kulissen-Einflüssen der Fraktionsführer zu ändern und abzu-
schwächen, gekämpft hatte, so hielt ich auch in diesem Falle daran
fest, daß die verbündeten Regierungen sich die Zukunft er-
schweren würden, wenn sie schon jetzt die Flagge streichen und ihre
eigene Vorlage verstümmeln wollten. Ich verlangte daher, daß
der Beschluß des Plenums abgewartet werde; wenn derselbe ein