Konrad v. Wangenheim, Bund der Landwirte. 59
deutung entsprechende Vertretung in den parlamentarischen Körperschaften zu verschaffen.
2d.S.)
Die Mitglieder müssen deutsche Reichsangehörige sein und einem der christlichen Bekennt-
nisse angehören ($ 3 d. S.).
Die Organe des Bundes sind ($ 6 d. 8.):
a) Die General-Versammlung,
b) der Ausschuss,
c) der Bundesvorstand,
d) das Direktorium.
Die General-Versammlung beschliesst mit verbindlicher Kraft in allen Bundesangelegen-
heiten, soweit sie nicht von anderen Bundesorganen zu besorgen sind. Der Ausschuss besteht aus
dem Gesamtvorstand und den Vertretern der einzelnen Bundesstaaten. Er wählt den Bundesvor-
stand und beschliesst über die Verwendung des Vermögens. Der Gesamtvorstand besteht aus
14 Mitgliedern:
1. den beiden Vorsitzenden,
2. 11 anderen Mitgliedern,
3. dem Direktor.
Die Mitglieder zu 1 und 2 bekleiden ihr Amt als Ehrenamt, die beiden Vorsitzenden und der Direktor
bilden den engeren Vorstand.
Die Organisation des Bundes wird in folgender Weise geregelt ($ 25 d. $.); es werden gebildet:
1. Ortsgruppen,
2. Hauptgruppen,
3. Bezirksabteilungen,
4. Wahlkreis-Abteilungen,
5. Provinziel- und Landes-Abteilungen.
Sämtliche Vorsitzende und Stellvertreter werden von den in der betreffenden Gegend eingesessenen
Bundesmitgliedern gewählt. Der Mindestbeitrag beträgt 3 M.; als Beitragsnorm gilt in Preussen
die Grundsteuer, sonst die landwirtschaftlich benutzte Fläche. Die Gewährung wirtschaftlicher
Vorteile: Buchführung, Beschaffung von Original-Saatgut, Futtermitteln und künstlichen Dünge-
mitteln, landwirtschaftlichen Maschinen, Trichinenentschädigung, Raterteilung in Rechts- und Ver-
sicherungsfragen, Vermittlung von Kreditauskünften erfolgt durch die „‚Verkaufsstelle des B. d.
L.‘,G.m.b.H. Die Genossenschaftliche Zentralkasse des B. d. L., zum Zwecke der Finanzierung
von Genossenschaften und zum bankmässigen Verkehr mit den Mitgliedern des B. d. L. gegründet,
nimmt ‚ Depositeneinlagen entgegen und verzinst diese mit 315%. Auch wird sachgemässer Rat in
Hyp g erteilt.
Von den 397 470 Mitgliedern des B. d. L. wohnen westlich der Elbe 183 130, östlich der Elbe
144 340; dem Gross-Grundbesitz gehören an 1739.
Die deutschen Landwirte sind von Natur wenig geneigt, sich politisch zu betätigen. Einmal
erschwert die Eigenart ihres Berufs, die ausserordentliche Verschiedenheit der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse und das getrennte Wohnen einen Zusammenschluss, sodann aber war die Landwirtschaft
von jeher daran gewöhnt, die Fürsorge für ihre Bedürfnisse der Regierung zu überlassen. Das war
angängig, solange Deutschland überwiegender und exportierender Agtarstaat war, musste sich aber
ändern mit der zunehmenden Ausdehnung der Industrie, der gesteigerten Einfuhr ausländischer,
landwirtschaftlicher Erzeugnisse und dem dadurch verursachten Sinken der Preise derselben.
Fürst Bismarck, selbst Landwirt, erkannte die veränderten Verhältnisse und vollzog deshalb den
Übergang zur Schutzzollpolitik. Im Vertrauen auf seine Einsicht und Fürsorge wartete die Landwirt-
schaft, trotz immer steigender Lasten und Löhne und stetig fallender Preise ihrer Erzeugnisse, ruhig
die Weiterentwicklung ab.