Zweites Eapitel.
Pragmatische Sanction. Bündniß von Hannover.
Aus der Ferne der Zeiten angesehen boten die europäischen Ver-
hältnisse nach den Friedensschlüssen im Norden und den Erfolgen
der Quadrupelallianz im Süden die Aussicht auf einen langen Frie-
den dar; die einander widerstrebenden Elemente, die in dem spanischen
Erbfolgekriege und in dem nordischen Kriege miteinander gerungen
hatten, waren zu einer Pacification gelangt, welche die Welt um-
faßte; auch Preußen hatte seine Stellung in ihrer Mitte genommen.
In einem politischen Testamente, welches Friedrich Wilhelm bereits
im Jahre 1722 aufgesetzt hat, entwickelt er die Beziehungen, in denen
der preußische Staat zu den verschiedenen Mächten stehe. Und es ist
sehr der Mühe werth, sich die Situation zu vergegenwärtigen, wie er
sie nach den verschiedenen Seiten hin auffaßt. In Bezug auf die
nordischen Angelegenheiten empfiehlt er vor allem, an der Allianz
mit Rußland festzuhalten, welche zuverlässig sei und nur befestigt
werden müsse. Er wünscht die Erhaltung von Polen in seiner da-
maligen, mehr republikanischen als monarchischen Staatsform, mit
Rücksicht auf den Einfluß, den Preußen auf dem polnischen Reichstage
übe. Von Schweden setzte er voraus, daß es noch immer in der bis-
herigen Feindseligkeit verharre; doch zweifelte er nicht, daß es dermaleinst
gegen eine bedeutende Geldzahlung auch Stralsund abtreten werde.
Würde Preußen mit Schweden feste Freundschaft haben, so würde
es auch gegen Dänemark freie Hand behalten. Von seinen nächst-
mächtigen Nachbarn in Deutschland, den Sachsen und Hannoveranern,
urtheilte Friedrich Wilhelm, daß die letzten die zuverlässigeren seien; man
könne mit ihnen in enge Allianz treten; mit den ersten dürfe Branden-
burg nur in einem allgemeinen freundschaftlichen Verhältniß stehen.