Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

94 Zehntes Buch. Sechstes Capitel. 
hänge, Alles zu bewilligen, was dieser selbst für vernünftig und ge- 
recht achte, und wünschte nur, daß man, um künftigen Streitigkeiten 
vorzubeugen, die Grenzen der Gebicte im voraus bestimmen möge ½. 
Die Interessen des Kaisers und des Königs griffen da wieder 
auf das Engste ineinander. Dem ersten sollte zugleich durch eine 
Union im Reich, die seiner Sache sich friedlich annähme, und durch 
die Eroberung von Böhmen eine seiner Würde entsprechende Stellung 
verschafft werden. Für den andern war es ein unschätzbarer Vor- 
theil, Oesterreich nicht wieder durch den Weg der Waffen die Ober- 
hand im Reiche erlangen zu lassen; er hätte überdies eine erweiterte 
territoriale Stellung gewonnen. 
Alles dies ließ sich nun aber nicht ins Werk setzen ohne eine 
neue Verständigung mit Frankreich; es ist die vierte von Friedrichs 
Unterhandlungen in dieser Zeit, und die wichtigste und gefahrvollste 
von allen. 
Diesmal wartete Friedrich nicht, wie im Jahre 17411, wo er 
sich erst entschloß, auf das angetragene Bündniß einzugehen, als alle 
Versuche, auf eine andere Weise zu seinem Rechte zu gelangen, ge- 
scheitert, waren: jetzt ging er den Franzosen aus freien Stücken ent- 
gegen. Im Gefühl der Unvermeidlichkeit des Krieges, der Nothwendig- 
keit eines großen Bundes, auf seine Weise im tiefsten Geheimniß, 
ohne auch nur mit dem erprobten Podewils Rücksprache genommen 
zu haben, sendete er einen seiner vertrautesten persönlichen Freunde, 
den Grafen Rothenburg, als Gesandten nach Versailles. 
Graf Rothenburg konnte als der geborene Vermittler zwischen 
Preußen und Frankreich angesehen werden. Die Familie, der er an- 
gehörte, war zugleich im Herzogthum Crossen und im Elsaß angesessen: 
er selbst hatte seine militärische Schule in französischen Diensten ge- 
macht, einmal eine spanische Unternehmung nach Afrika begleitet, und 
war bald nach dem Regierungsantritt zu Friedrich gekommen; er ver- 
weilte in dem Augenblick in Rheinsberg, als die Nachricht von dem 
Tode des Kaisers eintraf. Friedrich fand in ihm eine Verbindung 
von französischer Anmuth des Betragens und deutschem Urtheil, welche 
ihm als ein Muster der Vollkommenheit erschien. Ihre Briefe sind 
vertrauliche Ergüsse über die mannichfaltigsten Gegenstände, Theater, 
Kunst, Zeitereignisse, hauptsächlich aber militärische Dinge. Rothenburg 
1) Seckendorf an Friedrich, 7. April: L'empereur ne connaissant que 
trop le service que V. M. lui peut rendre — convient qu’Elle peut pré- 
tendre de bon droit des convéniances propomionnées aux hazards, em- 
barras ct risques, qu’elle en court.
	        
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