Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

124 Elstes Buch. Zweites Capitel. 
Daß diese sich am 21. und 22. October mit den Sachsen ver- 
einigten, worauf sie bei 70000 Mann stark wurden, während das 
preußische Heer nur etwa 60000 Mann zählen mochte, erschreckte den 
König mit nichten; er sah es vielmehr mit Vergnügen, weil sie sich 
um so eher zu einer Schlacht entschließen möchten. Zur Taktik seiner 
Truppen hatte er ein unbedingtes Vertrauen und zweifelte nicht, daß 
sie auch in bedeutend geringerer Zahl das Feld behaupten würden. 
Wahrscheinlich aber hegten Prinz Carl, der diesen Feind schon 
kennen gelernt hatte, und sein Rathgeber, der Graf von Traun, eine 
ähnliche Meinung von der Ueberlegenheit der Preußen; sie näherten 
sich denselben bis auf anderthalb Stunden: hier aber, bei Marscho- 
witz, bezogen auch sie ein festes Lager. 
Hierauf beschloß der König Friedrich, ihnen auf den Leib zu 
gehen und sie, wenn es irgend möglich, auch in ihrer festen Stellung 
anzugreifen. Es war der entscheidende Moment für diesen ganzen 
Feldzug 
Am 24. October des Nachmittags setzte sich das preußische Heer, 
sein Lager verlassend, in acht Colonnen gegen das feindliche in Be- 
wegung. Das Gepäck ward unter der Obhut eines Regimentes, durch 
eine Wagenburg geschützt, zurückgelassen; der gemeine Mann führte 
nichts als seine Patrontasche mit 60 Cartouschen und seinen Brot- 
sack;: 40 Schwadronen Husaren trieben die österreichischen Truppen, 
die gegen sie nicht Stand zu halten vermochten, allenthalben vor sich 
her; es war ein stolzes und schönes Manoeuver, ruft ein österreichischer 
Führer aus 1), der von der Höhe des Lagers das Anrücken der 
Preußen beobachtete; doch war es wohl zu spät am Tage, als daß 
man noch hätte schlagen können; in der unmittelbarsten Nähe des 
Lagers brachten die Preußen die Nacht zu. Es mag wohl sein, was 
man erzählt, daß Schwerin die Leute, die nicht eben Ueberfluß hatten, 
auf die österreichischen und sächsischen Vorräthe vertröstete, deren sie 
sich am andern Tage erfreuen würden. Auch die Oesterreicher brach- 
ten die Nacht bei ihren Waffen zu, die Offiziere um die Wachtfeuer 
her, deren Schein sich am Horizont mit dem der preußischen vermischte. 
1) Prinz Ludwig von Braunschweig in einem Briefe an seinen Bruder 
Herzog Carl, vom 27. October, im Archiv zu Wolfenblittel. Ein ähnlicher 
Bericht ward an denselben Herzog Carl aus dem preußischen Lager von einem 
andern seiner Brüder, Prinz Ferdinand, gerichtct. Der Herzog von Braun- 
schweig war wohl der einzige Mensch in der Welt, der aus beiden Lagern . 
gute und eingehende Nachrichten empfing. (Ein eigenthümliches Doppelkleinod 
jenes Archives.)
	        
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