Rüchzug aus Böhmen. 125
Erst als es Tag wurde, konnte der König das Lager, das er
angreifen wollte, näher in Augenschein nehmen. Es breitete sich auf
den vor ihm liegenden Anhöhen, beinahe drei Stunden Wegs, wie in
einem Halbkreis aus. Den linken Flügel bildeten die Sachsen, die
erst hier vollständig eingerückt waren, unter dem Herzog von Weißen-
fels, über 20000 M. stark, den rechten und das Centrum die Oester-
reicher, die jetzt bei 50000 M. zählten. Vor der Front des Lagers
hatten sie ein morastiges Thal und darin einen Bach, dessen Ueber-
gänge von den auf der Anhöhe aufgepflanzten Geschwindstücken be-
herrscht wurden 1). Da es schien, als ob der König zuerst die Sach-
sen auf ihrem Flügel aufsuchen würde, verstärkten die Oesterreicher
denselben mit ihrer Cavallerie, aber überdies war auch die sächsische
Stellung durch Thalgründe und Waldstrecken auf das Trefflichste ge-
deckt. Dagegen hatten die Preußen da, wo sie standen, nicht Platz
genug, sich zu einem umfassenden Angriff aufzustellen; sie hätten dazu
Unebenheiten der Landschaft, welche Friedrich als Abgründe bezeichnet,
passiren müssen. Nachdem Friedrich durch die zuweilen entgegen-
gesetzten Bewegungen seiner Truppen den ganzen Morgen über in
fortwährender Spannung gehalten, entschloß er sich endlich gegen
Mittag, den Rückzug anzutreten, den er mit großer Geschwindigkeit
vollzog.
Auffallend nur, daß ihn die Oesterreicher weder in der wenig
gesicherten Stellung, die er am Morgen inne hatte, noch bei seinem
Rückzug ernstlich angriffen. An Muth und Ehrgeiz fehlte es ihnen
nicht. Wie oft hatten sie sich gerühmt, daß ihnen, nach der besseren
Uebung, die sie erlangt, auch der König von Preußen keinen Wider-
stand werde leisten können. Die jüngeren Generale drangen in den
Prinzen Carl, da der König sich nicht zum Angriff anschicke, ihn an-
zugreifen, was die ganze Sache mit einem Schlage beendigen werde,
und nicht ohne Eindruck blieben ihre Vorstellungen auf den Prinzen.
Allein in dem Lager war noch ein anderer Mann, den man um
Rath fragen mußte, jener Graf Traun, den Friedrich selbst als seinen
Lehrmeister in der Kriegskunst bezeichnet hat. Traun hatte seine
1) Relation de ma campagne, 18. Dec. 1744 nach Frankreich geschickt.
L’ennemi étoit posté sur une montagne dui faisoit comme un demicercle
dont la gauche tournoit vers notre droito et leur droite étoit entiere-
ment éloignée de nous dans la valléo au pied de la momtagne. Diese
Relation verdiente ganz bekannt zu werden. Das Verhältniß derselben auf
der einen Seite zu den öffentlich bekannt gemachten Berichten, auf der andern
zu den ölteren und den umgearbeiteten Memoiren, ist sehr merkwürdig.