Politische Berhälinisse in den ersten Monaten des Jahres 1745. 143
Die Königin fühlte sich nicht geneigt, darauf einzugehen, denn
eben auf die Durchführung der pragmatischen Sanction komme es an,
sie wollte Schlesien ungeschmälert haben; allein sie erklärte, sie sei
bereit, dem Hause Sachsen eine Vergrößerung aus dem eigentlich
feindlichen Gebiete zu versichern: die Uebertragung namentlich der
preußischen Besitzungen in der Lausitz, sowie des Herzogthums Crossen
mit Züllichau, zur unmittelbaren Verbindung mit Polen.
Der Grund, den sie anführt, ließ sich hören; es war dieser: wenn
man den König von Preußen dahin bringe, daß er Schlesien aufgebe,
so müsse er so weit niedergekämpft werden, daß man ihm auch noch
größere Abtretungen auferlegen könne ).
Eben dies war der Sinn der sächsischen Politik. Wir wollen
keine moralische Anklage daraus machen, aber ein auffallender Gegen-
satz ist es doch, daß, indem der König von Preußen nach langem
Bedenken sich überwand, dem Kurfürsten von Sachsen seine Stimme
zur Kaiserwahl anzubieten, dieser dagegen sich in Plänen bewegte,
die auf eine Zerstörung des preußischen Staatswesens hinzielten. Die
Entwürfe wurden wieder aufgenommen, die im Jahre 1741 an allen
Höfen erwogen worden waren. «
Sachsen und Oesterreich hofften auf eine Theilnahme nicht allein
von England, sondern auch von Rußland.
In St. Petersburg gab es wenigstens eine mächtige Partei,
welche in Preußen bei weitem mehr einen Gegner als einen Freund
sah. Der Großkanzler Bestuchef erklärte es für den größten Staats-
sehler, welcher von Rußland begangen worden, daß es den Einrich-
tungen Friedrich Wilhelms I nicht entgegengetreten sei, ihn nicht ge-
hindert habe, eine Armee von ungefähr 30000 M., die er gefunden,
auf 80000 M. zu vermehren. Aber noch größer sei der Fehler der
letzten Jahre, daß man die Eroberung von Schlesien zugegeben und
dadurch eine Vermehrung der preußischen Armee auf 110000 M.
habe möglich werden lassen. Was der Russische Hof früher selbst
gewünscht, die Vermählung einer preußischen Prinzessin nach Schwe-
den, bezeichnete jetzt Bestuchef als einen Kunstgriff Friedrichs, der nun
dort durch seine Schwester auf die Herstellung der monarchischen Ge-
walt arbeiten lasse, um sich derselben zum Widerstand gegen Ruß-
1) Pro memoria, so Herr Grafen von Bünau nur vorzulegen. „Sonder
Zweifel erheischet sowohl das gemeinsame Interesse, als die gemeinsame Sicher-
heit, Alles anzuwenden, umb nicht nur Schlesien und Glatz dem König von
Preußen abzunehmen, sondern auch dessen Uebermacht noch mehrer einz-
schränken.“