10 Zehutes Buch. Erstes Capitel.
gen; nie hörte man ein unwahres Wort von ihm; Aufrichtigkeit und
Güte leuchteten aus seinen Augen hervor. Hätte er eben so viel
Energie und eine ungebrochene Lebenskraft besessen, seine Erhebung
hätte an sich noch einmal ein bedeutendes Ereigniß für Deutschland
werden können.
Es war schon eine unendlich wichtige Veränderung, daß das
Haus Oesterreich nicht mehr das Kaiserthum inne haben, und der Sitz
der wichtigsten Reichsgeschäfte nicht mehr in Wien sein sollte. Man
hoffte, daß damit mannichfache Beschwerden über die bisherige Ab-
hängigkeit der Reichsverwaltung von dem Hofe gehoben werden
würden.
Hauptsächlich waren diese gegen den Reichshofrath gerichtet, denn
er unterdrücke das Kammergericht, mißachte die wohlhergebrachten Pri-
vilegien, ersinne kaiserliche Reservatrechte, welche man nicht kenne,
mische sich in Dinge, die ihn im Grunde nichts angehen, z. B. in
Lehnssachen; statt sich an die Stände zu wenden, denen die Erklärung
der Gesetze zukomme, denke er nur darauf, den Kaiser auf feine
Meinung zu bringen. Aber auch das Directorium der reichsständischen
Geschäfte, welches nur die Stände vertreten solle, habe sich viel zu
nahe an den kaiserlichen Hof angeschlossen: nichts Anderes werde vor-
getragen, als worüber der Reichserzkanzler erst mit diesem überein-
gekommen sei. Kein Gesandter wage sich beiden zusammen zu wider-
setzen: mit einem, der das versuche, werde jeder Verkehr abgebrochen
und sein Hof der Sache gar bald müde gemacht. Daher komme es
denn, daß die Beistimmung des Reiches bei den auswärtigen An-
gelegenheiten eine reine Formel geworden sei: man ernenne Fürsten,
welche dazu nicht tauglich seien, und suspendire andere ohne hin-
reichenden Grund; man achte die Beschwerden des evangelischen Kör-
pers für nichts.
Der Reichstag sei alle die achtzig Jahre, daß er bestehe, immer
nach kaiserlichen Interessen geleitet worden: er sei ein Congreß= und
Bewilligungstag und habe den Charakter einer reichsständischen Ver-
sammlung nicht mehr ½). Besser man löse ihn auf und berufe einen
neuen in mehr parlamentarischer Forin.
1) In einer Reichstagsschrist vom 14. Febr. 1741 heißt es: „Der achtzig-
jährige Reichstag sei von seinem Zwecke ganz abgekommen; statt der dahin
remittirten wichtigen Angelegenheiten pacis osnabr. VIII, 3, habeantur und
Reichsabschied 25 1654 seien fast gar leine andere Sachen vorgekommen, als
welche des Kaisers Interesse und Convenienz betreffen; man habe einen status
mere monarchicus einzuführen gesucht; den Ständen mit ihren Anliegen fast