Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

222 Zwölftes Buch. 
machten. Dieselben Gefühle wirkten bei dem letzten Einbruch Friedrichs 
auch in Böhmen. Nicht allein die Strategie seines Gegners, sondern 
die zugleich aus politischen und religiösen Gründen wiederhergestellte 
Sympathie mit dem alten Herrschergeschlecht hat den König genöthigt, 
Böhmen zu verlassen. Auf diesen Verständigungen der Dynastie 
und der Bevölkerungen von Ungarn, Böhmen und Oesterreich be- 
ruht die spätere österreichische Monarchie. An der Politik Maria 
Theresias läßt sich mancherlei aussetzen; aber ihre Persönlichkeit, die 
eine Art von weiblichem Heroismus athmete, und die unerschütterliche 
Ueberzeugung von ihrem Rechte gaben dem monarchischen Gefühl 
neuen Impuls und lebendigen Rückhalt. Weiter aber führte das noch 
nicht. Obgleich Baiern sehr katholisch war, obgleich Schlesien dem Hause 
Oesterreich lange angehört hatte, so war es ihr doch unmöglich, Baiern 
zu erobern, Schlesien zu behaupten. In Schlesien kam dem König 
Friedrich eine' im Stillen angewachsene Verstimmung gegen das Haus 
Oesterreich und vor Allem die Hinneigung der protestantischen Bevöl- 
kerung zu Hülfe; keineswegs Alle, aber ein großer, und wohl der 
intelligenteste, Theil der Einwohner sah in seiner Eroberung eine Be- 
freiung. Der Katholicismus, der Oesterreich und Böhmen zusammen- 
hielt, trieb Schlesien auf die preußische Seite. Friedrichs Anspruch 
beruht auf einer unbestreitbaren althistorischen Grundlage. Er be- 
hauptete denselben, da es kein Tribunal für diese Fragen giebt, mit 
den Waffen, die er auf eine Weise führte, welche die Bewunderung 
der Welt fesselte. Die Lage der großen Angelegenheiten kam ihm 
dann zu Statten. Von den beiden in Europa miteinander streiten- 
den Parteien mußte eine jede danach trachten, seine unvergleichliche 
Kriegsmacht zu gewinnen. In diesem Gegensatz behauptete er sich. 
Friedrichs Politik war wohlerwogen, sicher und wahrhaft; sie hatte ihr 
territoriales Ziel von Anfang an mit selbstbewußter Beschränkung ins 
Auge gefaßt und erreichte dasselbe. Der Besitz von Schlesien bildete die 
Bedingung der Existenz Preußens als unabhängige Macht. Oesterreich 
war mächtig und groß auch ohne diese Provinz. In dem Frieden 
von Dresden waren die beiden Staaten zur Feststellung ihres gegen- 
seitigen territorialen Verhältnisses auf immer gelangt. 
In einem Friedensschlusse darf man nicht allein die Beendigung 
eines Krieges sehen; ein solcher wenigstens, der nicht ein bloßer Waffen- 
stillstand ist, bildet zugleich den Anfang einer neuen Epoche. Den 
gewaltigen Trieben der Dinge, die zum Kampfe geführt haben, wird, 
dem Ausschlag der Waffen gemäß, ein bestimmtes Maß und Ziel ge- 
geben, das die folgenden Zeiten beherrscht.
	        
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