Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

226 Zwölstes Buch. Erstes Capitel. 
Die Seemächte hatten gehofft, von Oesterreich nach dem preußi- 
schen Frieden kräftige Unterstützung zu erlangen, bald zeigte sich aber, 
daß die Kaiserin ihre Anstrengungen nur nach Italien richtete und 
die Vertheidigung ihrer Niederlande den beiden Seemächten überließ; 
die Holländer wenigstens waren hierüber sehr mißvergnügt. 
Für England aber trat hiebei noch ein anderes großes Interesse 
ein. Von dem Eifer der Colonisten in Massachussets unterstützt, hatten 
die Engländer im Jahre 1745 die vornehmste Feste des damaligen 
Nordamerika, welche die Franzosen mit großen Kosten errichtet, Louis- 
burg auf Cap Breton, erobert, und fürchteten nun, daß sie durch 
widrige Ereignisse in Europa genöthigt werden dürften, dieselbe heraus- 
zugeben. 
In dieser Lage wandten sie ihre Augen auf den König von 
Preußen, und einer der weitaussehendsten Gedanken tauchte auf, um 
seine Hülfe zu erlangen. 
Man ging davon aus, daß Holland in dem verwirrten Zustande, 
in dem es sich befinde, vor allem eines Statthalters bedürfe, und 
zwar eines solchen, der ihm durch anderweite Macht Rückhalt geben 
und helfen könne: dazu sei Niemand so geeignet, als der König von 
Preußen. Um ihn auf immer zu gewinnen, müsse man ihm ein In- 
teresse, eine Stellung gegen Frankreich verschaffen, wie einst das Haus 
Burgund sie gehabt habe: er müsse die österreichischen Niederlande 
den Franzosen abgewinnen, und zwar nicht allein sie erobern, sondern 
auch behalten. Oesterreich, das sie nicht zu vertheidigen vermöge, 
werde sie abtreten, wenn es unterdessen die Bourbonen aus Italien 
treiben und die oberrheinischen Provinzen den Franzosen wieder ent- 
reißen könne 1). 
Ideen, die, wenn sie später nicht wörtlich realisirt worden sind, 
doch in den Vorschlägen Pitts von 1805 und in der starken Auf- 
stellung Preußens seit 1815 eine annähernde Ausführung gefunden 
haben. 
1) Description de L’état déplorable, on nous sommes reéduits. „I1. 
est aisé de penser, due les Hollandais se preteroient à le faire leur 
stadhonder et les Autrichiens à lui céder leurs titres sur les pays- bas — 
si Ton considdre du’on peut engager le roi de Prusse à se charger de 
reconqutérir les pays- bas, de payer aux Hollandais les sommes, qu'ils 
ont avuncées à la maison d'Autriche sur ces pais; de leur rendre leurs 
barrieres et duc de plus il continuera la guerre à la France jusqufau 
tems qdue les Autrichiens auront mis les Français et leurs alliès hors 
de toute D’Iialie et qurils ayent aussi recouvrés les provrinces, que les 
Français leur prirent autrefois sur le Rhin.
	        
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