Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

250 Zwölftes Buch. Drittes Capitel. 
Die Ritterschaft bewilligte eine ansehnliche Summe, die zugleich mit 
den Contributionsgeldern aufgebracht werden sollte; die Kämmereien 
folgten nach, dann die Stifter, endlich fügten sich auch die katholischen 
Klöster. Der König bezeigte ihnen seinen Dank für die ihm bewiesene 
Willfährigkeit und versprach, daß es nur eine vorübergehende Last 
sein solle; bald werde er im Stande sein, die Besoldung ganz zu 
übernehmen. 
Es würde weit führen, wollten wir die Durchführung der Ver- 
änderung in allen Provinzen erörtern; bemerken wir nur, daß sie 
geschah, und zwar wie bei den oberen, so auch bei den unteren Ge- 
richten. Es kam nur zuerst darauf an, den gemeinen Mann vor 
grober Willkür zu sichern, die Rechtspflege den ganz Rechtsunkundigen 
zu entreißen. So weit möglich, wurden überall kleine Justizcollegien 
an die Stelle der Aemter gesetzt, juridische Bildung zur Bedingung 
der Anstellung gemacht. 
Als die Summe und den Haupterfolg der coccejischen Reform 
darf man ansehen, daß sie den preußischen Juristenstand gleichsam 
neu begründete. Cocceji wies ihn auf seine wesentliche Bestimmung 
an und verschaffte ihm die Möglichkeit, derselben zu leben; er gab 
ihm die Rechtspflege zurück, die ihm großentheils abhanden gekommen 
war, und forderte für die Ausübung derselben wissenschaftliche Be- 
fähigung. Das Institut der Referendarien und Auscultatoren wurde 
gegründet und ihre Annahme vom Zeugniß der Universitäten und 
dem Ausfall der Prüfungen abhängig gemacht. Das Ganze bekam 
Zusammenhang und Leben, ohne daß es dabei gerade auf die Bei- 
behaltung der indeß an vielen Stellen eingeführten Proceßordnung 
angekommen wäre 1). Die rasche und prompte Ausübung der Justiz 
war die Bedingung, unter welcher der Staat diese Veränderung 
burchführte. 
Dabei traten nun aber auch einige andere Fragen ein. 
Durch Friedrich Wilhelm hatten die Kammern, unter der Leitung 
des Generaldirectoriums, einen Überwiegenden Einfluß davongetragen; 
die Rechtspflege in Städten und Aemtern ward von der Verwaltung 
beherrscht; da nun jetzt das Princip der Justiz an sich volle An- 
erkennung fand, so konnte es an Conflicten nicht fehlen. 
Man klagte, daß die administrative Behörde in Schuld-, Wechsel-, 
Strafsachen die Execution verhindere, daß sie Bürger und Bauern in 
1) Sie sind bei Kamp# verzeichnet. Seifart gedenkt des Fortschrittes der 
Justigreform II, 1, 66, 89 f.
	        
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