250 Zwölftes Buch. Drittes Capitel.
Die Ritterschaft bewilligte eine ansehnliche Summe, die zugleich mit
den Contributionsgeldern aufgebracht werden sollte; die Kämmereien
folgten nach, dann die Stifter, endlich fügten sich auch die katholischen
Klöster. Der König bezeigte ihnen seinen Dank für die ihm bewiesene
Willfährigkeit und versprach, daß es nur eine vorübergehende Last
sein solle; bald werde er im Stande sein, die Besoldung ganz zu
übernehmen.
Es würde weit führen, wollten wir die Durchführung der Ver-
änderung in allen Provinzen erörtern; bemerken wir nur, daß sie
geschah, und zwar wie bei den oberen, so auch bei den unteren Ge-
richten. Es kam nur zuerst darauf an, den gemeinen Mann vor
grober Willkür zu sichern, die Rechtspflege den ganz Rechtsunkundigen
zu entreißen. So weit möglich, wurden überall kleine Justizcollegien
an die Stelle der Aemter gesetzt, juridische Bildung zur Bedingung
der Anstellung gemacht.
Als die Summe und den Haupterfolg der coccejischen Reform
darf man ansehen, daß sie den preußischen Juristenstand gleichsam
neu begründete. Cocceji wies ihn auf seine wesentliche Bestimmung
an und verschaffte ihm die Möglichkeit, derselben zu leben; er gab
ihm die Rechtspflege zurück, die ihm großentheils abhanden gekommen
war, und forderte für die Ausübung derselben wissenschaftliche Be-
fähigung. Das Institut der Referendarien und Auscultatoren wurde
gegründet und ihre Annahme vom Zeugniß der Universitäten und
dem Ausfall der Prüfungen abhängig gemacht. Das Ganze bekam
Zusammenhang und Leben, ohne daß es dabei gerade auf die Bei-
behaltung der indeß an vielen Stellen eingeführten Proceßordnung
angekommen wäre 1). Die rasche und prompte Ausübung der Justiz
war die Bedingung, unter welcher der Staat diese Veränderung
burchführte.
Dabei traten nun aber auch einige andere Fragen ein.
Durch Friedrich Wilhelm hatten die Kammern, unter der Leitung
des Generaldirectoriums, einen Überwiegenden Einfluß davongetragen;
die Rechtspflege in Städten und Aemtern ward von der Verwaltung
beherrscht; da nun jetzt das Princip der Justiz an sich volle An-
erkennung fand, so konnte es an Conflicten nicht fehlen.
Man klagte, daß die administrative Behörde in Schuld-, Wechsel-,
Strafsachen die Execution verhindere, daß sie Bürger und Bauern in
1) Sie sind bei Kamp# verzeichnet. Seifart gedenkt des Fortschrittes der
Justigreform II, 1, 66, 89 f.