Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

256 Zwölftes Buch. Viertes Capitel. 
Die Bauern, sagt er, sollen niemals Rittergüter kaufen, die 
Edelleute niemals die Bauergüter einziehen; aus dem Grunde, weil 
jene nicht als Offiziere dienen können, die Edelleute aber, wenn sie 
Vorwerke aus den Bauergütern machen, die Zahl der Einwohner 
verringern. 
Auch die Bürger sollen keine Güter der Edelleute kaufen; sie 
würden dadurch nur gehindert werden, ihr Vermögen in Handel und 
Wandel anzulegen?). 
Eben so wenig aber sollen die königlichen Kammern daran denken, 
Nittergüter an sich zu bringen. Es soll selbst in Fällen vermieden 
werden, wo das königliche Amt dadurch um die Hälfte verbessert wer- 
den könnte. „Denn der König darf nicht rechnen wie ein Privat- 
mann; er braucht Edelleute, deren Söhne das Vaterland vertheidigen, 
deren Race so gut ist, daß sie auf alle Weise erhalten werden muß.“ 
Wenn zwischen einem königlichen Amt und einem Rittergut ein 
Streit ausbricht, so soll das Directorium lieber dem König Unrecht 
thun, als dem Edelmann, denn was für ihn ein kleiner, unmerklicher 
Verlust sei, das gereiche diesem oft zum größten Vortheil und er- 
halte ihn. 
Den Kammern wird in den stärksten Ausdrücken verboten, den 
Edelmann zu chikaniren, alte Streitigkeiten aufzuwärmen. Keiner soll 
genöthigt werden, seinen Besitz auf längere Zeit, als das Jahr 1740, 
binaus, zu beweisen; es möge manchen reicheren Adel geben, aber 
einen an Tapferkeit und Treue vorzuziehenden gebe es nicht. 
Derselbe Sinn herrscht auch bei der Verwaltung der Provinzen 
vor; jede soll nach ihrer Besonderheit behandelt werden. 
Hatte er doch selbst bei ezner neu erworbenen Provinz für rath- 
sam gehalten, ihr eine von den alten Einrichtungen abweichende, von 
dem Directorium unabhängige Verfassung zu geben; — „alle Pro- 
vinzen in demselben Sinne zu regieren würde heißen, sie guten Muths 
ruiniren“. Er suchte einer jeden das zu verschaffen, was sie haupt- 
sächlich bedürfe. 
In Preußen vermißte er vor allem Industrie und Gewerbe, das 
Land habe eigentlich nichts als einen Ueberfluß an Getreide; die 
Krone besitze eine große Anzahl Aemter, aber da das Klima un- 
1) Aus Schlesien finden sich Berichte, die um eine Erlaubniß hiefür 
nachsuchen, auf den Grund, daß vorher einige bürgerliche Güter in Hände 
von Edelleuten übergegangen seien; so sorgsältig suchte man das Gleichgewicht 
zu erhalten.
	        
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