Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Gesellschaft von Sanssouci. 285 
der höchst anstößige Bücher schrieb, und darüber erschrak, wenn man 
ihm die Consequenzen seiner Behauptungen nachwies; er glaubte alles 
was man ihm sagte, und ließ sich hinreißen, das denkbar Schlimmste 
von Jemand in die Welt zu schreiben; eben so leicht aber bat er 
den Beleidigten um Verzeihung, und überhäufte ihn mit unverdienten 
Lobeserhebungen. Daß er wegen seiner Meinungen verbannt worden 
war, verschaffte ihm Eingang bei Friedrich, der ihn als ein Opfer 
fanatischer Verfolgung nicht allein der Priester, sondern auch der 
Aerzte geschildert hat. Ueberdieß aber liebte er seine tumultua- 
risch wilde Conversation, hinter deren Qualm und Rauch sich doch 
ein ächter Funke zeigte. Es muß wohl Menschen geben, in deren 
Seele die Idee der Moral gar nicht aufgegangen ist; de la Mettrie 
hat Dinge begangen, die ich verschweigen will; aber im gewöhnlichen 
Umgang war er gutmüthig, auch in gutem Sinne selbstvergessen, von 
unverwüstlicher Lustigkeit, welche doch nur selten drückend wurde; der 
Beifall des Königs hielt ihn in der Berliner Gesellschaft aufrecht. 
Welch eine andere Gestalt sein Landsmann und Befäörderer, jener 
Maupertuis, der sich durch den europäischen Ruhm, den er in vollen 
Zügen genoß, berechtigt glaubte, ganz nach seinem Sinne zu leben. 
Er unterschied sich in Kleidung, Betragen, Hauseinrichtung durch eine 
stolze Sonderbarkeit, in die er Würde zu legen suchte. Im Gespräch 
erschienen seine Gedanken wie der Blitz, unerwartet, abgerissen und 
energisch: seine Ausdrücke konnten überaus schmeichelhaft sein, nicht 
selten waren sie beleidigend; es dünkte ihm nicht der Mühe werth, 
Andere zu schonen. Hat er doch zuweilen sogar dem König grollend 
seine Verstimmung zu erkennen gegeben. Aber er selber wollte ge- 
schont sein; sein Wohlwollen hörte auf, sobald man in den ge- 
ringsten Wettstreit mit ihm gerieth; er beförderte am meisten die, 
welche ihn niemals in Schatten stellen konnten. Von den materiali- 
stischen Doctrinen wandte er sich von einem Jahr zum andern mehr 
ab: die Fähigkeit und Macht, die dem menschlichen Geiste eingeboren 
sei, schlug er überschwänglich hoch an. 
Im Jahre 1747 kam Algarotti wieder, der jetzt nicht mehr in 
diplomatischen Geschäften, womit ihm der erste Versuch mißglückt war, 
sondern nur als geistreicher und gebildeter Mann in der Gesellschaft 
zu glänzen suchte. Friedrich sagt von ihm, er habe sich von allem 
Wissen das Interessanteste angeeignet, auf jede Frage, die man über 
Philosophie, schöne Wissenschaften und Künste an ihn richte, bezahle 
er mit klingender Münze, — eine unschätzbare Gabe für ein litera- 
risches Hofleben. Er war ein Egoist, doch ohne zu beleidigen, be-
	        
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