Meinungen und Regierungsweise des Königs. 293
Damit im Gegensatz tritt in dem Gedichte über die Kriegskunst
der dort verspottete Carl von Lothringen sehr glänzend auf; sein
Rheinübergang wird einer That des alten Hannibal gleich geachtet:;
er soll die reine Huldigung, das verdiente Lob eines Feindes em-
pfangen, der für das Geschrei des Hasses taub ist. Selten ist wohl
ein Lehrgedicht geschrieben worden, dem eine so gute Kunde des Ge-
genstandes zu Grunde lag wie diesem. Leben empfängt es von den
Erinnerungen des letzten Krieges, die ein patriotisches Feuer athmen.
So recht grunddeutsch ist die Darstellung des in seine Heimath zurück-
kehrenden Offiziers; aber noch höher mag man die Schilderung des
Feldherrn schätzen, der Friedrich selbst zu entsprechen suchte. Voltaire
fragte ihn einst, ob ihn die Schlacht nicht mit Wuth erfülle: im Ge-
gentheil, antwortete er, nie bedarf der Geist größerer Fassung. So
schildert er hier den General, wie er die Bewegungen des Kampfes be-
herrscht, jeder Unordnung steuert, bei jeder Erschöpfung zu Hülfe kommt,
nichts vom Glück, alles Heil nur von sich selber erwartet; bedächtig
im Rath, verwegen in der Ausführung. Im Vorhofe des Mars
lehrt man die Gesetze der Ehre, des strengsten Verdienstes; Habgier
und Grausamkeit werden verdammt, nur Menschlichkeit und Hingebung
gepriesen, die Bildsäule des Kriegsgottes ist umgeben von der wachen
Arbeitsamkeit, kaltblütigen Tapferkeit, der proteusartigen Kriegslist,
der schöpferischen Imagination, die von göttlichem Feuer glühend
ihre Pläne entwirft.
Wenn man die kleineren Gedichte liest, so sollte es dem Ver-
fasser zuweilen bloß auf den Genuß des Lebens anzukommen scheinen.
Die Anstrengung wird als ein Verlust der Freiheit betrachtet: man
stößt auf Nachahmungen des Lucrez, deren Inhalt die Dogmen des
Epicur wiederholt; wenn Friedrich in einer seiner Episteln die Lehre
entwickelt, daß sich die Vorsehung um das Kleine nicht bekümmere,
so darf man schwerlich behaupten, daß er sie in dem unverfänglichen.
Sinn von Malebranche verstanden habe 1). Daneben aber nimmt man
allenthalben eine ernste, auf das Wesentliche und Aechte in den Din-
gen des menschlichen Lebens vordringende Richtung wahr. Den Locke-
schen Lehren gemäß erscheint der menschliche Geist nicht fähig, das
Unendliche zu ergreifen, aber Friedrich schließt daraus nur, daß man
sich auf dieses Gebiet nicht wagen, und vielmehr hier auf Erden sich der
Tugend widmen, das Gute von dem Bösen unterscheiden lernen müsse.
Einen seiner Brüder macht er aufmerksam, daß Tugend und Talent
1) Vgl. Moses Mendelsohns gesammelte Schriften IV, n, 85.