24 Zehntes Buch. Erstes Capitel.
So viel fehlte daran, daß sich König Friedrich den Ideen der
jetzt in England vorwaltenden eifrigen Whigs angeschlossen hätte.
Vielmehr bemerken wir eben hier Keime eines Gegensatzes der Politik
beider Länder, der um so mehr sagen will, da er die allgemeine
Richtung betrifft, die bei selbständigen Mächten und Geistern das
Wesentlichste ist.
Den Einfluß Frankreichs in Deutschland zu beschränken oder ihn
auszuschließen war seine Absicht, die man als gemeinschaftlich betrach-
ten kann. Aber England wollte alle Kräfte von Europa zu einem
großen Angriff auf Frankreich fortreißen und dies unter das Haus
Oesterreich erniedrigen, oder vielmehr die erwachte Kriegslust des letz-
teren zu einem Anfall auf Frankreich benutzen; es dachte demselben
wieder die kaiserliche Krone zu. Preußen dagegen wollte den Kaiser,
der durch eine so gut wie einmüthige Wahl auf den Thron gelangt
war, vertheidigen, dem Reich eine auf dem Zusammenwirken der großen
Fürstenhäuser beruhende Verfassung geben, Holland und England durch
ein Defensivbündniß an die deutschen Interessen knüpfen. Natürlich
wohl: im Hintergrunde der englischen Entwürfe lag immer der See-
krieg, der noch nicht ausgefochten war; Oesterreich verlangte eine Ent-
schädigung für seine Verluste: Preußen dagegen wollte, nachdem es
zu seinem vornehmsten Anspruch gelangt war, vor allem den Frieden.
Jene beabsichtigten, über Baiern nach ihrem Belieben zu verfügen,
dieser forderte die Herausgabe desselben.
Wir sehen die verschiedenen Tendenzen klar vor uns; nicht so
deutlich konnten sie den Mitlebenden erscheinen.
England hielt für möglich, Preußen entweder zur Theilnahme
an seinen Unternehmungen herbeizuziehen oder doch von allem Wider-
spruch dagegen fern zu halten. Der König von Preußen hielt für
Möglich, die beiden andern Mächte zu einem Frieden in seinem Sinne
zu vermögen.