Meinungen und Regierungsweise des Königs. 295
wendigkeit (die er für das schönste Thema der „göttlichen“ Meta-
physik erklärt), über Schicksal oder Vorsehung, Materialität oder
Unsterblichkeit der Seele; auf die letzte kam er immer von neuem
urück.
Zuweilen scheint ihm der Zusammenhang zwischen Körper und
Geist unauflöslich bis zu ihrer Identität. Was bleibe von dem Ich
übrig, wenn man ihm zwei Dinge nehme, die Sinne und das Ge-
dächtniße Der Mensch befinde sich in der Mitte der Unendlichkeit
der Zeiten, die vor ihm gewesen und nach ihm sein werden; wenn
er vor seiner Geburt nicht existirt habe, so müsse er davon auf das
schließen, was ihm nach dem Tode bevorstehe; die Nacht des Grabes
umfange das Wesen, das da denkt. Allein nicht immer blieb er bei
diesen Meinungen, namentlich hielten sie nicht aus, wenn ein Freund,
den er liebte, oder wenn Jemand aus dem Familienkreise abschied 1).
Dann meinte er, obgleich der Geist unabhängig vom Korper sei, so
sehe man doch oft, und zwar gerade, wenn die Maschine sich auf-
löse, daß er einen neuen Schwung nehme, und eine bewunderns-
würdige Stärke entfalte. „Vielleicht werde ich die Verlorenen eines
Tages wieder sehen. Wie glücklich würde ich mich fühlen, wenn ich
dann die großen Männer des Alterthums erblicken könnte.“ Zu-
weilen war er mehr von den Ansichten des Lucrez, zuweilen von den
Argumenten der Apologie des Sokrates durchdrungen.
Nicht glauben ist noch lange nicht leugnen; aber nur nicht ver-
werfen, auch keine Ueberzeugung. Ich weiß nicht, ob man über
diesen Skepticismus hinaus kommen kann, wenn man die Offen-
barung nicht annimmt, wozu Friedrich sich nie bewogen fühlte.
Wir kennen sein Schwanken zwischen der Annahme eines blin-
den Geschickes und einer allwaltenden Vorsehung, und wie er in den
großen Entscheidungen auf die letzte zurückkam. Meistentheils schien
es ihm voch, daß alles ein nicht aufzulösendes Räthsel bleibe, wenn
man nicht eine Vorsehung voraussetze, die das Weltgeschick zu einem
großen Ziele leite. Nur in Einem Punkte war er unerschütterlich;
er fuhr auf, wenn Jemand im Gespräche seinen Glauben an einen
lebendigen Gott bezweifelte; die populären Beweise für das Dasein
Gottes, besonders den von der weisen Ordnung in der Natur herge-
nommenen, wiederholte er mit dem vollsten Ausdruck der Ueberzeu-
gung. „Ich kenne Gott nicht, aber ich bete ihn an.“
1) An die Markgräfin: notre vie est si brieve qurd bien considérer
les choses nous sommes insensés de nous affliger de la perte d’amis, qdue
nous rejoindrons dans penu.