Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Meinungen und Regierungsweise des Königs. 299 
ist der erste Diener des Staates, und gut bezahlt, um die Würde 
seiner Stellung aufrecht zu erhalten, aber man verlangt von ihm, 
daß er nachdrücklich zum Wohl des Staates arbeite, und daß er 
wenigstens die wichtigsten Dinge mit Ernst betreibe“ ). Die Frau, 
welche einem König von Epirus, der nicht auf ihre Klagen hören will, 
die Frage vorlegt, warum er denn König sei, wenn er ihr nicht Hülfe 
schaffen wolle, scheint ihm ganz Recht zu haben. 
Die Auffassung der königlichen Pflichten, wie sie Friedrich hegt, 
erinnert an die Vorstellungen, die in dem ältesten, nicht priesterlichen 
Staat der Welt, in China, nach den Aussprüchen der Weisen und 
Gesetzgeber des Landes, über die höchste Gewalt vorherrschten. Der 
Fürst ist nach diesen die lebendige Vernunft der Dinge, seine Gewalt 
ist unumschränkt, aber nur um die Herrschaft der Ordnung zu reali- 
firen. „Der höhere Mensch, heißt es in den Unterhaltungen des gro- 
ußen Meisters 2), muß Wohlthaten erweisen, ohne verschwenderisch zu 
sein, Dienste und Abgaben fordern ohne Geiz; Würde und Majestät 
haben, ohne Ostentation; wenn er verlangt, was vernünftig und noth- 
wendig ist, wer könnte ihm darüber zürnen? Seelengröße gewinnt 
die Menge; Offenheit erweckt Vertrauen; wenn ihr thätig und wach 
sam seid, so gehen die Geschäfte gut, wenn ihr für Alle Interesse 
zeigt, dann fühlt das Volk sich glücklich.“ Es ist, als wenn man 
Friedrich reden hörte. 
Das Zurücktreten des religiösen Begriffes mußte in einer ener- 
gischen Natur das Bewußtsein des weltlichen Berufes um so leben- 
diger hervorrufen. Die Seele ist dann nicht durch das Gefühl des 
universalen Zusammenhanges des Geistes gehoben, der auch dann 
noch genugthut, wenn die Erfolge den Absichten nicht entsprechen; es 
liegt etwas Trockenes, Beschränktes darin, aber um so geschärfter 
wird der praktische Sinn, da man des Erfolges bedarf. Der Geist 
1) Un souverain M’est pas élevé à ce haut rang, on ne lui a pas 
confié le pouvoir supreme, pour du'il vive dans la mollessc pourqw'il 
s#engraisse de la substance du peuple et du’il soit heurcux pendant que 
tout le monde souffre. Le souverain est le premier serriteur de Tétat, 
il est bien payé pour qu’'il soutienne bien la dignité de son caractere, 
mais on demande de lui qu'ril travaille effcucement pour le bien de 
L’état et qu'il gouverne au moins avec attention les principales affaires. 
(Testam. polit.) 
2) Das Buch Lun-yu; in Pauthiers Confucius et Mencins 196.
	        
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