Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

302 Zwölftes Buch. Fünftes Capitel. 
Repräsentanten einer fremden Macht zu kommen. Im ganzen Lande 
gebe es, außer dem König, nur einen einzigen Mann, der die inneren 
und äußeren Angelegenheiten zugleich kenne. Von diesem Mannec, 
der alle Morgen mit dem Könige arbeite, ihn auf seinen Reisen be- 
gleite, machen sie eine beinahe mythische Beschreibung; er wisse alles, 
erfahre alles, aber kein Sterblicher könne sich rühmen, ihn je mit 
Augen gesehen zu haben; auf eine wunderliche Weise verunstalten 
sie seinen Namen. Es ist Eichel, dessen Briefwechsel mit Podewils 
wir zuweilen erwähnt haben, der im Cabinet die Feder führte, die 
mündlichen Resolutionen Friedrichs niederschrieb, die wichtigsten An- 
ordnungen nach seiner Anweisung anfertigte; ein Mann von einer 
unermüdlichen Arbeitsamkeit, die aus Liebe zur Sache und persön- 
licher Hingebung entsprang, scharfsinnig und einsichtsvoll, nur ein 
wenig pedantisch und nicht ohne eine zaghafte Scheu bei den un- 
berechenbaren Bewegungen des Genius, den er vor sich sah. Wenn 
die Fremden dem König Schuld geben, er habe nie auf Gegenvor- 
vorstellungen der Minister geachtet, so erweisen die Acten das Gegen- 
theil: zuweilen zeigt er sich sogar ungeduldig, daß er seinen Willen 
nicht durchsetzen könne. Nur mündliche Berathungen vermied er je 
länger je mehr. Wenn er noch einen zweiten seiner Minister be- 
fragte, so hielt er doch nicht für gut, denjenigen, dessen Gutachten 
er zuerst gefordert, davon wissen zu lassen, er besorgte, daß der Vor- 
zug, den er dem einen vor dem andern gebe, Eifersucht und Ent- 
zweiung verursachen möchte. Ueberdies wäre dann leicht das Ge- 
heimniß, worin er die Seele der Geschäfte sieht, verletzt worden. 
„Ich verberge“, äußerte er einmal gegen einen seiner Vorleser, 
„meine Absichten denen, die mich umgeben; ich täusche sie sogar dar- 
über; denn wenn sie vermuthen, was ich im Sinne habe, so könnten 
sie davon sprechen, ohne die Folgen zu ahnen; nur durch das Ge- 
heimniß kann ich mich vor Schaden bewahren.“ 
„Ich verschließe mein Geheimniß in mich selbst; ich bediene mich 
nur eines Secretärs, von dessen Zuverlässigkeit ich versichert bin; 
wenn ich mich nicht selbst bestechen lasse, so ist es unmöglich, meine 
Absicht zu errathen.“ Von den auswärtigen Angelegenheiten überließ 
er die, welche mehr rechtlicher Natur waren, den Ministern; die Lei- 
tung der andern behielt er in eigner Hand. 
So viel Argwohn legte er gegen fremde Verschwiegenheit an 
den Tag, daß es für den Umgang mit ihm als eine Regel galt, sich 
zwar übrigens ohne Zwang zu bewegen, vertraulichen Mittheilungen 
aber lieber auszuweichen.
	        
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