Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

304 Zwölftes Buch. Fünftes Capitel. 
len die Rosse vor den Wagen, die mit gleicher Anstrengung die Renn- 
bahn durchlaufen, und dem Lenker den Preis verschaffen.“ 
In Hinsicht der Finanzen und des ganzen innern Regierungs- 
systems folgte er, wie wir wissen, dem Vorgange seines Vaters, dessen 
Bild und Andenken ihn unaufhörlich begleitete. Im Gespräch er- 
zählte er zuweilen Züge der Gutmüthigkeit von demselben, die an- 
derweit nicht vorkommen; öfter gedachte er seiner Härte, und dessen 
was er von ihm gelitten habe. „Ein schrecklicher Mann, vor dem 
man habe zittern müssen, aber durch und durch brav, ja im wahren 
Sinne des Wortes ein philosophischer König; er habe nur eine zu 
hohe Vorstellung von der Fähigkeit der Menschen gehabt, und von 
seiner Umgebung und seinen Unterthanen die nämliche Strenge ge- 
fordert, deren er sich gegen sich selbst bewußt gewesen sei. Wer es 
nicht wisse, könne sich keine Vorstellung davon machen, welchen Geist 
der Ordnung er in die verschiedenen Theile der Regierung gebracht, 
wie er bis in das Einzelste nach möglichster Vollkommenheit gestrebt 
habe. Der unermüdlichen Arbeitsamkeit, bewundernswürdigen Oeko- 
nomie und strengen Soldatenzucht, des Vaters verdanke er alles was 
er sei. Auch ihn habe derselbe zu einem Soldaten machen wollen, 
aber kaum glauben dürfen, daß es damit gelingen werde; wie würde 
er erstaunen, wenn er wieder auflebte, und ihn, mitten in den ehe- 
mals kaiserlichen Gebieten an der Spitze einer siegreichen Armee sähe, 
namentlich mit einer Cavallerie, von der man in jenen Zeiten keine 
Idee gehabt habe; er würde seinen Augen nicht trauen.“ 
Dürfen wir das Verhältniß Friedrichs zu seinem Vater noch ein- 
mal berühren, so war es bei weitem nicht von so umfassender Welt- 
einwirkung, wie, womit man es verglichen hat, das Verhältniß Carls 
des Großen zu Pipin, Alexanders zu Philipp, aber in sich selbst um 
vieles merkwürdiger. 
In dem Vater erscheint die Selbstherrschaft noch als Eigenwille, 
mit der Rauhheit und Gewaltsamkeit des siebzehnten Jahrhunderts, 
verbunden mit einer Religiosität, die eine pietistische Ader hatte, der 
Idee einer allgemeinen Ordnung im deutschen Reiche sich auch dann 
fügend, wenn diese unbequem ward. In dem Sohne lebt dagegen 
seit der ersten Jugend ein lebendiger Trieb persönlicher Ausbildung: 
er begreift die Wissenschaften mit dem doppelten Eifer eines Auto- 
didakten; von der Religion hält er nur die allgemeinsten Grundsätze 
fest; das Reich erkennt er an, in wie fern es Rechte gewährt, nicht 
in wie fern es Pflichten auferlegt. Der natürliche Gegensatz, worin 
sie sich befanden, führte einst zu jenen Conflicten, welche die Augen
	        
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