30 Zehntes Buch. Zweites Capitel.
auf, doch noch einige Abtretungen von Oesterreich auszuwirken: allzu-
gut begründet seien seine Ansprüche; er würde es bei seiner Nach-
kommenschaft nicht verantworten können, wenn er sie aufgebe ohne
Entschädigung; er rechnete auf Oberösterreich, einen Theil von Tyrol,
und schmeichelte sich sogar, von Böhmen diejenigen Kreise erlangen zu
können, welche Baiern zunächst gelegen sind. Da man aber doch da-
durch noch nicht jene Summe der Macht erlangte, die man für nöthig
hielt, so brachte man damit noch einen andern Plan in Verbindung,
den weitaussehendsten, der in diesen Jahren voller Entwürfe vielleicht
geäußert worden ist.
Eben in dem Mittelpunkte der Reichsgeschäfte, in den Verhand-
lungen der nahe verwandten katholischen Höfe kam ein Gedanke auf,
der späterhin, freilich unter ganz andern Verhältnissen der Welt, dem
Westen von Deutschland eine neue Gestalt gegeben hat: eine Säcu-
larisation im großen Stil zu unternehmen, verbunden mit der Me-
diatisirung einiger der vornehmsten Reichsstädte, um dieses neue König-
reich Baiern zu gründen. Der Kaiser ist später durch die Vorstellungen
des Nuntius und seines eigenen Beichtvaters bewogen worden, den
Plan abzuleugnen, der freilich auch übertrieben ins Publikum kam:
damals sprach er mit großer Unumwundenheit davon. Noch mehr aber
als er selbst, oder als seine Minister, waren es die Fälzischen, welche
den Entwurf ausbildeten: man sollte vermuthen, daß er auch in ihnen
zuerst entsprungen sei 1).
Erfüllt von dynastischem Ehrgeiz und einem lebhaften Selbst-
gefühl von der für das Haus erworbenen Stellung, die sie behaupten
wollten, traten sie gegen Ende 1742 mit einem ausführlichen Plane
hervor, nach welchem Baiern, um ein Königreich zu bilden, folgende
Vergrößerungen erhalten sollte: 1) Oberösterreich, die Vorlande und
die schwäbischen Besitzungen, sammt einigen Tyroler Grenzplätzen;
2) die nächsten großen Kreise von Böhmen: Prachin, Pilsen und
Ellnbogen; 8) einige Reichsstädte, unter denen Ulm und Augsburg;
1) Ich sinde die Sache zuerst in einer Depesche Klinggräfs aus Frankfurt
vom 24. Nov. 1742 erwähnt. Man har ihm gesagt: qu'’on pourroit recourir
àame sécularisation de duelidues éCvöchés pour faire quclques conveniances
pour un éauivalent à S. NM. Impir comme on avoit agi à la poix de
Westphalic. Am 27. Nov. ward ihm der ausführliche Plan mitgetheilt; am
8. Dec. wünscht der Kaiser, daß ein Dritter sich dieser Sache annehme; sein
Gesandter Rosee brachte am 13. Dec. die Forderung jener 6 Mill. Gulden
ausführlich zur Sprache; man hielt in Berlin für das Beste, den Hof von
London zur Einwilligung zu vermögen.