Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Säcularisationsprojecte. 33 
sation, die bisher Deutschland in zwei entgegengesetzte Hälften theilte, 
welche sich durch Sitte, Sinnesweise, Literatur und Gelehrsamkeit 
unterschieden, hatte keine Bedeutung mehr, seitdem eine Erneuerung 
von Kämpfen, welche die eine oder die andere Partei hätten unter- 
drücken können, nicht weiter zu erwarten war, vielmehr der mächtigste 
protestantische Staat, in natürlicher Entwickelung, sich zur Aufgabe 
machte, den Katholiken allen erwünschten Schutz zu gewähren. In 
dem sechszehnten Jahrhundert war die Absicht gewesen, die Stifter 
in weltliche Wahlfürstenthümer zu verwandeln, damit nicht die Noth- 
wendigkeit der Selbstvertheidigung ein Hinderniß gegen den Fortschritt 
des Protestantismus bilde, und die geistliche Befugniß davon abzu- 
sondern; jetzt erhob sich hauptsächlich an den katholischen Höfen der 
Gedanke, diese Trennung des Weltlichen und des Geistlichen, aber in 
anderem Sinne, durchzuführen, die Territorien einzuziehen, das Bis- 
thum mit seinen Befugnissen aufrecht zu erhalten. Es steht dahin, 
ob und wie sich dies ausführen ließ; doch wäre ein Versuch der 
Mühe werth gewesen. Denn einmal hätte man nicht so vollkommen 
mit der Vergangenheit gebrochen, wie das später geschehen ist; es 
hätte Uebergänge der Entwickelung aus dem alten Reiche in einen 
neuen Zustand gegeben; soviel wir die vorherrschenden Ideen über- 
sehen können, würde man die Formen des Reiches bei weitem mehr 
geschont haben. Eine Aufhebung der geistlichen Churlande lag noch 
außer aller Berechnunge; Würzburg und Bamberg hätten sich wahr- 
scheinlich erhalten; die Reichsstandschaft der Bisthümer wäre durch die 
Säcularisation des Gebietes diesmal nicht unterdrückt worden. Ein 
nicht geringerer Vortheil hätte sodann darin bestanden, daß die Um- 
wandlung eine eigentlich deutsche Angelegenheit geblieben wäre. Frank- 
reich hätte daran so gut wie keinen Antheil gehabt, denn eben das 
war das nächste Ziel, das damalige Kaiserthum von dieser Macht 
loszuwinden; auch Rußland nicht, welches diesen Dingen in ihrem 
Zusammenhange noch fern stand:; Alles hätte von einer Vereinbarung 
zwischen den vorwaltenden deutschen Mächten abgehangen; wie Fried- 
rich 11 sagte!), wenn die Höfe von Wien, Berlin, Frankfurt und Lon- 
don einig seien, würde keine Macht der Welt sie abhalten, die Sache 
zu vollziehen. An dem Londoner Hofe fielen die deutschen Interessen 
mit den englischen zusammen. Lord Carteret sagte, als Engländer 
1) 5 May. Aussitot que I’empereur et moi nous serons d’accord 
avec les cours de Londres et de Vienne et due S. M. Impt’ ne mandue 
pas à Elle memc, on fera la chose et on laissera crier les bigots- 
v. Nanke's Werle XIXIX. 3
	        
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