Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

34 Zehntes Buch. Zweites Capitel. 
hätte er nichts dagegen, wenn alle Bisthümer in Deutschland säcu- 
larisirt würden, doch zweifle er, ob sein Fürst, als Kurfürst des 
Reiches, darein willigen könne. Es ist kein Zweifel, daß man in 
Hannover nicht so bedenklich war. 
Schon kamen die Ideen des modernen Deutschland in jeder an- 
dern Hinsicht empor. Wie Baiern, so machte auch Sachsen den An- 
spruch, ein Königreich zu sein; es legte sich auch hierin ein Wetteifer 
zwischen den josephinischen Erzherzoginnen, der Kaiserin und der Kö- 
nigin von Polen, an den Tag. Kaiser Carl war geneigt, den Land- 
grafen von Hessen-Cassel zum Kurfürsten des Reiches zu ernennen; 
um aber das Gleichgewicht zu erhalten, faßte man den Gedanken, 
auch aus dem Erzherzogthum Oesterreich unter dem Großherzog von 
Toskana ein Kurfürstenthum zu machen. 
Ueber dieser umgestalteten Gemeinschaft aber hätte sich nun ein 
neues, nicht nothwendig österreichisches Kaiserthum erhoben: welch 
einen großartigen Nachruhm würde sich Carl VII erworben haben, 
wenn er eine Sache von dieser Bedeutung durchgesetzt hätte. 
Schon von ihm selbst muß man wohl gestehen, daß er sie nicht 
mit der erforderlichen Kraft und Standhaftigkeit in die Hand nahm: 
überdies aber, wenn die Beistimmung des Wiener Hofes jemals zu 
hoffen gewesen ist, so ließ sich solche doch zuletzt nicht erreichen. 
Gleich bei den ersten Vorschlägen machte das englische Ministe- 
rium darauf aufmerksam, daß Oesterreich Einen Punkt nie bewilligen, 
das Salzburgische niemals in den Besitz von Baiern gelangen lassen 
werde, da dieses Land den Weg nach dem innern Oesterreich eröffne. 
Wie konnte man aber überhaupt denken, daß der Wiener Hof dieses 
Baiern, das ihm im Laufe der Zeiten oftmals unbequem und wider- 
wärtig, so eben aber höchst gefährlich geworden war, durch Ver- 
größerungen irgend einer Art, wenn auch ohne eigene Verluste, noch 
bedeutender und selbständiger machen sollte, als es ohnehin schon 
war? Ganz im Gegentheil, die Königin wollte sich desselben auf 
immer entledigen. Wenn während der Zeit, daß ihre Armeen den 
Streit in Böhmen ausfochten, die baierisch französischen Truppen 
wieder vorrückten, der Kaiser in die Hauptstadt seiner Erblande noch 
einmal einziehen konnte, so machte das wenig Eindruck auf sie. Mit 
Bestimmtheit rechnete sie darauf, im nächsten Frühjahr mit ihren 
krieggeübten Truppen die Oberhand zu behalten. Ist sie überhaupt 
jemals auf die Rechte des Kaisers eingegangen, so hat sie doch nur 
von einer Entschädigung desselben nach dem Maße seines früheren Be- 
sitzes, niemals von der Rückgabe dieses Besitzes selbst hören wollen.
	        
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