Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

78 Zehntes Buch. Fünftes Capitel. 
worden wäre, so sieht man, wie sehr dies dem Gange, den die all- 
gemeinen Angelegenheiten seit der Mitte des Jahres 1743 nahmen, 
entsprochen haben, wie gefährlich es für den König von Preußen ge- 
worden sein würde. 6 
So weit aber war doch damals der russische Hof loch nicht 
wieder auf die Seite von Oesterreich gezogen, um auf diese Entwürfe 
einzugehen. 6 
Unter denen, die der Kaiserin vor und bei der Revolution zur 
Seite gestanden, konnte Graf Woronzow als der vornehmste angesehen 
werden. Er war nicht von glänzendem Geist, aber von gesundem 
Verstand, friedfertig und jeder gegen Preußen feindseligen Maßregel 
abgeneigt. Auch Lestocq, der in jener Nacht bei dem Unternehmen 
eine entscheidende Rolle gespielt hatte und noch in einem gewissen 
Ansehen stand, und der Obermarschall Brummer setzten sich den Ab- 
sichten von Oesterreich entgegen. 
Dazu kam, daß im Sommer 1743, man kann wohl nicht sagen. 
eine Verschwörung, aber doch eine Verbindung von Mißvergnügten 
entdeckt wurde, an welcher der österreichische Gesandte Theil genommen 
haben sollte. In einigen vornehmen Familien, den Lapuchin, Go- 
lowkin und andern, die mit den bei dem letzten Regierungswechsel 
Gestürzten und Verbannten in Verhältniß gestanden hatten, sollte die 
Hoffnung ausgesprochen worden sein, diese bald wieder zur Gewalt 
zurückkehren zu sehen; der Marquis Botta, damals Gesandter in Pe- 
tersburg, jetzt nach Berlin versetzt, sollte die Verordnungen der neuen 
Kaiserin getadelt, das Mißvergnügen überhaupt genährt und sogar 
bei seinem Abgang nach Berlin geäußert haben, er denke wohl, daß 
auch der König von Preußen etwas zur Herstellung der braunschwei- 
gischen Familie, mit der er so nahe verwandt sei, thun werde. 
Die Sache ward von Elisabeth ernstlich aufgenommen, mancherlei 
Ungewöhnliches zu ihrer persönlichen Sicherheit vorgekehrt, den An- 
geklagten der Proceß gemacht, mit dem österreichischen Hofe ein bitterer 
Notenwechsel eröffnet 2). 
Dagegen suchte man sich dem König von Preußen zu nähern, 
von dem man wohl wußte, daß er an eine Wiederbeförderung der 
gestürzten Familie, durch deren Politik alle Rücksicht auf Verwandt- 
schaft in ihm ausgelöscht war, niemals gedacht haben könne. 
1) Vgl. Moser Völkerrecht in Friedenszeiten IV, 382. Botta sollte ge- 
sagt haben: er wolle machen, daß man von der Grüge essen könne, ohne sich 
den Muntd zu verbrennen.
	        
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