82 Zehntes Buch. Fünftes Capitel.
Catharina Alexiewna; die Kaiserin sagte, sie ziehe den Namen ihrer
Mutter dem eigenen vor, denn jene sei bei der Nation beliebter ge-
wesen als sie selbst.
Ganz ohne Harm war jedoch dieser Anfang mit nichten. Die
Krankheiten des Clima stellten sich ein; wenn wir dem preußischen
Gesandten glauben, machte der Uebergang zu der griechischen Kirche
der jungen Fürstin doch mehr Scrupel, als sie ihrem Vater zu ge-
stehen wagte !); zuweilen stieg ihr eine Art Heimweh nach der freieren
Luft des deutschen Vaterlandes auf, und man sah sie wohl in Thränen.
An Widersachern fehlte es nicht, und der Großfürst, ihr Bräutigam,
übrigens freundlich, ließ doch nach Maßgabe äußerer Einwirkungen
nicht selten auch Mangel an Zuneigung blicken. Die Prinzessin zeigte,
so jung sie war, vom ersten Augenblick an ein unbeschreibliches Ta-
lent für ihre Lage. Jedermann fiel es auf, wie vollkommen sie die-
selbe begriff und von Tag zu Tag mehr sich darin bewegen lernte.
Das Zutrauen der Kaiserin wußte sie bald in höherem Grade zu
gewinnen als ihre Mutter. Es würde ein neues Licht auf ihr ganzes
Leben werfen, wenn es sich bewähren sollte, was man damals ver-
sicherte, die Kaiserin habe für den Fall, daß der Großfürst sterbe,
wie er denn krank und schwach war, oder keine Nachkommenschaft er-
folge, Festsetzungen getroffen, nach welchen der Prinzessin alsdann die
Thronfolge gesichert sein solle.
Gleich damals aber, als von dieser Vermählung zuerst die Rede
war, trug nun auch der russische Hof dem preußischen, um beide
wenigstens mittelbar zu verbinden, noch eine andere an: die Ver-
heirathung einer preußischen Prinzessin mit dem Thronfolger in
Schweden.
Ein Motiv hiezu lag für Schweden darin, daß Dänemark, miß-
vergnügt über das plötzliche Emporkommen des ihm seit lange feind-
lichen Hauses Holstein-Gottorp, sich um so mehr an England anschloß.
Die Vermählung des Kronprinzen Friedrich von Dänemark mit einer
englischen Prinzessin, December 1743, bestätigte auch hier das poli-
tische Interesse.
Friedrich hielt im Grunde seine jüngere Schwester Amalia für
geeigneter, den schwedischen Thron zu besteigen, als die ältere. Jene
1) In den Mémoires de Catherine II, publiées par Herzen (1859),
findet Isich davon keine Spur: doch wage ich nicht, meine ursprüngliche Er-
zählung danach zu verändern. Bei der Abfassung der Denkwürdigkeiten könnte
Manches aus dem Gedächiniß entschwunden gewesen sein. Hingebung an
Nationalität und Kirche bilden den Grundton derselben.