Verhältmiß zu Frankreich. 87
Partei bestehe, die man ermuthigen müsse; ihm zufolge sollte Friedrich
plötlich am Niederrhein mit einer Armee auftreten, welche Alles ent-
scheiden werde.
Friedrich hat mit Voltaire mehr als einmal über politische Ver-
hältnisse gesprochen; aber wie wenig verstand dieser sein System.
Wenn Friedrich der Wahrheit gemäß versicherte, daß das Gerücht,
als habe er der Königin Hülfstruppen gegen Frankreich angeboten,
vollkommen falsch sei, so meinte Voltaire aus Übertriebener Feinheit,
das nicht für wahr halten zu dürfen. Friedrich urtheilte, daß Vol-
taire von allen Menschen am wenigsten zu einem Politiker tauge, und
gab ihm statt alles anderen zuletzt den Auftrag, den Franzosen ein
weiseres Betragen anzurathen 1). Er lachte darüber, daß der Poet
ihn gleichsam als Deus es machina zur Entwickelung des ganzen
Drama verwenden wolle.
Ueberhaupt hatte er die schlechteste Vorstellung von der Einsicht
sowohl wie von der Thatkraft der französischen Minister; sie schienen
nur den Frieden im Sinne zu haben, denselben aber auf einem Wege
zu suchen, wo er sich nie erreichen ließ; er bezeichnet die Monarchie
als einen großen Körper, dem es an Geist und Nerv fehle.
Nicht so ganz jedoch war dies der Fall wie er wohl meinte:
allmählich erhob sich in dem König von Frankreich und um ihn her
eine lebendigere Thätigkeit.
Ludwig XV fehlte es weder an Talent noch an Bildung.
Seine Briefe z. B. sind richtig gedacht und correct geschrieben; in
diesen ersten Jahren verrathen sie bei einem wohlstehenden Mißtrauen
in die eigenen Kräfte Nachdenken und Theilnahme; sie enthalten zu-
weilen feine Bemerkungen 2). Auch setzte er das Vorbild Ludwigs XIV
1) Zwei Billets von Voltaire an Amelot, die in der Sammlung seiner
Werke von Beuchot nicht vorkommen, geben noch einiges Licht. 5 Juillet, de
Ia Haye: je suis dans une liaison intime avec quelques étrangers, qui
me font part de toutes les affaires et qui me mettront en état de le
(FFrédéric) brouiller avec I’Angleterre; Berlin 8 Spt. il me paralt de la
plus grande conséquence, due M’ de la Ville m’'y (à Baireuth) envoye
les nouvelles qui pourront etre favorables au roi et à L’empereur, et
induire le roi de Prusse à vous servir. Das Merkwürdigste sind die An-
fragen Voltaires mit den Antworten Friedrichs, nr. 1253 bei Beuchot. Doch
müssen sie wohl, da von der Reise nach Baireuth als etwas Bevorstehendem
die Rede ist, in den Anfang des September gesetzt werden, nicht in den
October.
2) Einige sind in den Memoiren von Noailles gedruckt. Petitot Bod. 73,