Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

90 Zehntes Buch. Sechstes Capitel. 
Welch ein Aufsehen erregte es, als plötzlich von Wien aus nach 
England gemeldet und sodann von andern Seiten bestätigt ward, daß 
der Sohn des Prätendenten, Carl Eduard, von Rom verschwunden 
und, trotz der Uebermacht der englischen Marine an den italienischen 
Küsten, zur See nach Frankreich gegangen sei. Er ward dort ab- 
sichtlich nicht bei Hofe empfangen; den König Ludwig XV bekam er 
nicht zu sehen; in tiefer Verborgenheit mußte er in Gravelines ver- 
weilen und sich fürs erste begnügen, die Kreidefelsen Albions aus der 
Ferne zu erblicken 1). Man hat später erfahren, daß eine Anzahl 
englischer und eine noch größere schottischer Jacobiten mit dem fran- 
zösischen Hofe in Verbindung getreten war und diesen Versuch hervor- 
gerufen hatte. Das Haus Hannover fühlte sich nicht so sicher auf 
dem englischen Throne, daß es nicht hierüber wirklich in einige Be- 
sorgniß gerathen wäre. 
Man erstaunt, wenn man sich der mannichfaltigen Projecte er- 
innert, die diese Zeit gebar. — Bald steht das Uebergewicht von 
Frankreich in Europa, die Trennung Böhmens von Oesterreich, bald 
die Errichtung eines neuen Königreiches Baiern und die Umwandlung 
des deutschen Reiches durch eine große Säcularisation, bald die Her- 
stellung des Hauses Oesterreich in Neapel und Sicilien, Elsaß und 
Lothringen, bald die Wiedereinsetzung der Stuarts auf den englischen 
Thron in Aussicht. Die Entwürfe des 17. und des 19. Jahrhunderts 
berühren einander. 
In dieser Zeit nun, in welcher ein neuer Eifer über Frankreich 
gekommen war, in allen Seehäsen und zu Lande auf das Eifrigste 
gerüstet, von einer Aenderung des alten Ministeriums sehr ernst- 
lich geredet wurde, wendete Friedrich II seine Augen wieder nach 
Frankreich. 
Man könnte meinen, da ein großer und lebhafter Kampf zwi- 
schen den westlichen Mächten bevorstand, so hätte er um so leichter 
ruhig bleiben und seine Neutralität genießen können. Er hat selbst 
ausgesprochen, daß er das gekonnt, daß nichts ihn aus der sichern 
Stellung, die er einnahm, gebracht haben würde, wenn ihn nicht die 
Angelegenheiten des Kaisers dazu getrieben hätten?). 
1) Lord Mahon: History of England vol. II. Aus dem Tagebuch 
Kaiser Carls VII, Quellen und Forschungen VIII, 322, sieht man, wie auf- 
merksam die Reise Carl Eduards beobachtet wurde. 
22% S. M. Imple me fera la justice, que ce w’est que ses intérets doi 
me menent àce que je me suis proposé de faire pour elle et que sans
	        
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