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ciren und disputiren, sondern beständig dem
Kandidaten Gelegenheit geben, seine Mei-
mung zu entwickeln, zu berichtigen und zu
beweisen. Wenn mehrere Studirende zugleich
geprüft werden, so soll jederzeit die Frage
nur an einen, und am öftesten an den ge-
richtet werden, welcher sich als den schwäch-
sten gezeigt hat. Bleibt dieser die Antwort
schuldig, so wird dieselbe Frage an einen
Andern gerichtet; oder kann der eine seine
mangelhafte Antwort nicht berichtigen, so
ist der Versuch zu machen, ob ein Anderer
entdecke, worin der Fehler liege, und ihn
verbessern könne. Fragen, die nur dazu die-
nen, den Kandidaten in Verlegenheit zu sezen,
sollen gar nicht geschehen, und am wenigsten
sollen verfängliche Fragen demjenigen vorge-
legt werden, der etwa schon betreten, oder
an und für sich schüchtetn ist. Zum Be-
schlusse der Prüfung haben die Eraminatoren
demjenigen, der sich in einem oder dem an-
deren Stücke unwissend oder schwach gezeige
har, zugleich eine Anweisung zu geben: wie
er das versäumte nachholen könne, welche
Bücher er vorzüglich zu studiren, und welche
Uebungen er zu dieser Absicht anzustellen habe.
S. VII.
Abfassung des Urtheils über den
Eraminanden.
a) Schon während der Prüfung selbst har
jeder Eraminator die vorgekommenen Gegen-
stände und den Gang der Drüfung, nebst
seinem Urtheile über die Befihigung jedes
Studirenden in den einzelnen Drüfungsfä-
chern, nach seiner individuellen Ueberzeugung,
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schriftlich kurz aufzuzeichnen, um daraus in der
Folge nach der Stimmenmehrheit das allge-
meine Urtheil abfassen zu können.
b) Wenn die Prüfung geendige ist, und
die Eraminirten abgetreten sind, so wird über
die Tüchtigkeit derselben deliberirt, und ein
Protokoll ausgenommen, worin hauptsäch-
lich Folgendes genau anzugeben ist:
1. Ob der Kandidat in seiner Predig, in
seinen Extemporal-Aufsäzen, und in den
mündlichen Antworten gezeigt habe, daß
er sich in seiner Muttersprache gramma-
tisch richtig, deurlich, und rein auzzu-
drücken wisse; denn, wem es darau feblt,
der wird weder selbst richtig denken, noch
bei Andern deutliche und bestimmte Ver-
stellungen erregen können;
2. ob er der lateinischen Sprache wenigstens
so weit mächtig sey, daß er darin geschric-
bene Werke zu stiner weiteren Belehrung
mit Leichtigkeit benuzen könne. Ob er sich
selbst schrifllich und mündlich darin aus-
zudrücken im Stande sey, und wie weit
seine Fertigkeit hiertn gehe;
3. ob er das neue Testament aus der Grund-
sprache richtig übersezen, und nach den
bewährresten hermeneutischen Regeln der
philologischen und historischen Interpreta-
tion erklären könne; besonders aber: ob
er mit dem Geiste der christlichen Reli-
gions-Urkunden, mit dem Zwecke und
Inhalte des Ganzen und einzelner Bücher
bekannt, auch mit den dogmatischen, mo-
ralischen und aseetischen Hauptstellen der-
selben vertraut sey;