Full text: Königlich-Baierisches Regierungsblatt. 1809. (4)

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ciren und disputiren, sondern beständig dem 
Kandidaten Gelegenheit geben, seine Mei- 
mung zu entwickeln, zu berichtigen und zu 
beweisen. Wenn mehrere Studirende zugleich 
geprüft werden, so soll jederzeit die Frage 
nur an einen, und am öftesten an den ge- 
richtet werden, welcher sich als den schwäch- 
sten gezeigt hat. Bleibt dieser die Antwort 
schuldig, so wird dieselbe Frage an einen 
Andern gerichtet; oder kann der eine seine 
mangelhafte Antwort nicht berichtigen, so 
ist der Versuch zu machen, ob ein Anderer 
entdecke, worin der Fehler liege, und ihn 
verbessern könne. Fragen, die nur dazu die- 
nen, den Kandidaten in Verlegenheit zu sezen, 
sollen gar nicht geschehen, und am wenigsten 
sollen verfängliche Fragen demjenigen vorge- 
legt werden, der etwa schon betreten, oder 
an und für sich schüchtetn ist. Zum Be- 
schlusse der Prüfung haben die Eraminatoren 
demjenigen, der sich in einem oder dem an- 
deren Stücke unwissend oder schwach gezeige 
har, zugleich eine Anweisung zu geben: wie 
er das versäumte nachholen könne, welche 
Bücher er vorzüglich zu studiren, und welche 
Uebungen er zu dieser Absicht anzustellen habe. 
S. VII. 
Abfassung des Urtheils über den 
Eraminanden. 
a) Schon während der Prüfung selbst har 
jeder Eraminator die vorgekommenen Gegen- 
stände und den Gang der Drüfung, nebst 
seinem Urtheile über die Befihigung jedes 
Studirenden in den einzelnen Drüfungsfä- 
chern, nach seiner individuellen Ueberzeugung, 
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schriftlich kurz aufzuzeichnen, um daraus in der 
Folge nach der Stimmenmehrheit das allge- 
meine Urtheil abfassen zu können. 
b) Wenn die Prüfung geendige ist, und 
die Eraminirten abgetreten sind, so wird über 
die Tüchtigkeit derselben deliberirt, und ein 
Protokoll ausgenommen, worin hauptsäch- 
lich Folgendes genau anzugeben ist: 
1. Ob der Kandidat in seiner Predig, in 
seinen Extemporal-Aufsäzen, und in den 
mündlichen Antworten gezeigt habe, daß 
er sich in seiner Muttersprache gramma- 
tisch richtig, deurlich, und rein auzzu- 
drücken wisse; denn, wem es darau feblt, 
der wird weder selbst richtig denken, noch 
bei Andern deutliche und bestimmte Ver- 
stellungen erregen können; 
2. ob er der lateinischen Sprache wenigstens 
so weit mächtig sey, daß er darin geschric- 
bene Werke zu stiner weiteren Belehrung 
mit Leichtigkeit benuzen könne. Ob er sich 
selbst schrifllich und mündlich darin aus- 
zudrücken im Stande sey, und wie weit 
seine Fertigkeit hiertn gehe; 
3. ob er das neue Testament aus der Grund- 
sprache richtig übersezen, und nach den 
bewährresten hermeneutischen Regeln der 
philologischen und historischen Interpreta- 
tion erklären könne; besonders aber: ob 
er mit dem Geiste der christlichen Reli- 
gions-Urkunden, mit dem Zwecke und 
Inhalte des Ganzen und einzelner Bücher 
bekannt, auch mit den dogmatischen, mo- 
ralischen und aseetischen Hauptstellen der- 
selben vertraut sey;
	        
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