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den, der nicht die als Aufnahmsbedingung
gefoderte Fertigkeit in der lateinischen Spra-
che bereits erreicht hat. Auch ist in dem
Progymnasium durchaus nicht mehr zu ge—-
statten, daß ein Schuͤler sich von dem Stu-
dium der griechischen Sprache lossage; wie
überall in jeder Schule es unstatthaft ist,
die Schüler Ausnahmen von den vorgeschrie-
benen Lehrgegenständen machen zu lassen.
) Die Realschule ist sonach in einer
zweifachen Beziehung, als gesteigerte
Volksschule und als Vorschule zu
einem höheren Natur = und Kunst-
Studium, zu betrachten, erfodert aber
keine andere noth wendigen Vorkennt-
nisse, als die in einer gut eingerichteten
Volksschule, (und um so mehr also in einer
Primerschule) zu erlangen sind; sezt sonach
den Lehrkursus der Primärschule zwar nicht
voraus, hat aber gleichwohl aus den Schü-
lern der Primérschule, die in das Progym-
nastum übergehen entweder nicht können
oder nicht wollen, vorzüglich ihre Schüler
zu erwarten, und ist deshalb den Studien=
schulen als eine eigene Sekundär,
schule mie Grunde eingereihet worden, um
ihre eigentliche Bestimmung durch
ihre Stellung zu bezeichnen.
3) Eine dritte Hauptrücksicht erfoderte
die Anordnung des Studiums der alten
Sprachen.
Die pädagogischen Methodiker waren ei-
ne Zeit lang der Meinung, daß es eine un-
nüze Quälerei und ein baarer Zeitoerlust für
die Kinder sey, sie gleich in den ersten Schul-
230
jahren zur Erlernung alter Sprachen anzu-
halten, indem fi darin ennig. Jahre später
in wenigen Monaten weiter kämen, als zuvor#
in ganzen Jahren; daß dagegen es weit mehe
Noth thue, die Kinder mit sogenannten
Real-Kenu#nissen, welche durch jenen Sprach-
pedantismus gang vernachlässiget würden, vor-
zugsweise zu beschäftigen, indem diese zur
Erweckung des Verstandes weit mehr beitrü-
gen, als jenes Sprachstudium.
Allein die Folgen dieser Neuerung ha-
ben bald genug die lange alte Erfahrung
hiulduglich gerechtfertiget. Man hat einge-
sehen, daß das späte Beginnen des Studiums
der alten Sprachen eine wahre, noch dazu
oft nuzlos bleibende Quaal für die Schülec
wird; daß sie den Theil des Sprachstudiums,
der nothwendig auf der Gedächtnißkraft ruhr,
meistens sich nie mehr ganz anzueignen ver-
mögen, und mit der vergeblichen Anstren-
gung, sich dessen doch noch zu bemeistern,
bis in spaäte Jahre hinein, welche die Natur
zu weit wichtigeren Beschäéftigungen des Gei-
stes bestimmt har, auch die Zeit verlieren,
welche ste für ein gründliches Studium
der Real= Kenntnisse gewonnen haben
würden, wenn sie früher über die mechani-
schen Schwierigkeiten des Sprachstu-
diume hinweg geführt worden wären.
Zum wahren Besten selbst des Realstu-
diums also muß in den Studienschulen die
pädagogische Künstelei aufgegeben, und da-
für die mehr psychelogische und naturgemässe
Altere Lehrordnung wieder aufgenommen wer-
den. Für diejenigen Schüler, die dem ei-