Full text: Königlich-Baierisches Regierungsblatt. 1809. (4)

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den, der nicht die als Aufnahmsbedingung 
gefoderte Fertigkeit in der lateinischen Spra- 
che bereits erreicht hat. Auch ist in dem 
Progymnasium durchaus nicht mehr zu ge—- 
statten, daß ein Schuͤler sich von dem Stu- 
dium der griechischen Sprache lossage; wie 
überall in jeder Schule es unstatthaft ist, 
die Schüler Ausnahmen von den vorgeschrie- 
benen Lehrgegenständen machen zu lassen. 
) Die Realschule ist sonach in einer 
zweifachen Beziehung, als gesteigerte 
Volksschule und als Vorschule zu 
einem höheren Natur = und Kunst- 
Studium, zu betrachten, erfodert aber 
keine andere noth wendigen Vorkennt- 
nisse, als die in einer gut eingerichteten 
Volksschule, (und um so mehr also in einer 
Primerschule) zu erlangen sind; sezt sonach 
den Lehrkursus der Primärschule zwar nicht 
voraus, hat aber gleichwohl aus den Schü- 
lern der Primérschule, die in das Progym- 
nastum übergehen entweder nicht können 
oder nicht wollen, vorzüglich ihre Schüler 
zu erwarten, und ist deshalb den Studien= 
schulen als eine eigene Sekundär, 
schule mie Grunde eingereihet worden, um 
ihre eigentliche Bestimmung durch 
ihre Stellung zu bezeichnen. 
3) Eine dritte Hauptrücksicht erfoderte 
die Anordnung des Studiums der alten 
Sprachen. 
Die pädagogischen Methodiker waren ei- 
ne Zeit lang der Meinung, daß es eine un- 
nüze Quälerei und ein baarer Zeitoerlust für 
die Kinder sey, sie gleich in den ersten Schul- 
230 
jahren zur Erlernung alter Sprachen anzu- 
halten, indem fi darin ennig. Jahre später 
in wenigen Monaten weiter kämen, als zuvor# 
in ganzen Jahren; daß dagegen es weit mehe 
Noth thue, die Kinder mit sogenannten 
Real-Kenu#nissen, welche durch jenen Sprach- 
pedantismus gang vernachlässiget würden, vor- 
zugsweise zu beschäftigen, indem diese zur 
Erweckung des Verstandes weit mehr beitrü- 
gen, als jenes Sprachstudium. 
Allein die Folgen dieser Neuerung ha- 
ben bald genug die lange alte Erfahrung 
hiulduglich gerechtfertiget. Man hat einge- 
sehen, daß das späte Beginnen des Studiums 
der alten Sprachen eine wahre, noch dazu 
oft nuzlos bleibende Quaal für die Schülec 
wird; daß sie den Theil des Sprachstudiums, 
der nothwendig auf der Gedächtnißkraft ruhr, 
meistens sich nie mehr ganz anzueignen ver- 
mögen, und mit der vergeblichen Anstren- 
gung, sich dessen doch noch zu bemeistern, 
bis in spaäte Jahre hinein, welche die Natur 
zu weit wichtigeren Beschäéftigungen des Gei- 
stes bestimmt har, auch die Zeit verlieren, 
welche ste für ein gründliches Studium 
der Real= Kenntnisse gewonnen haben 
würden, wenn sie früher über die mechani- 
schen Schwierigkeiten des Sprachstu- 
diume hinweg geführt worden wären. 
Zum wahren Besten selbst des Realstu- 
diums also muß in den Studienschulen die 
pädagogische Künstelei aufgegeben, und da- 
für die mehr psychelogische und naturgemässe 
Altere Lehrordnung wieder aufgenommen wer- 
den. Für diejenigen Schüler, die dem ei-
	        
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